Vorpreschen, um Druck aufzubauen

Die Abschaffung des Paragrafen 219a ist überfällig, findet Johanna Treblin

  • Johanna Treblin
  • Lesedauer: 1 Min.

Wer in Berlin U-Bahn fährt, sieht sich ständig mit strahlend weißen Zähnen konfrontiert. Nicht, weil die Mitreisenden alle fröhlich lächeln (mitnichten), sondern weil in den Waggons mit Vorliebe für Zahnersatz geworben wird. Andere gesundheitsbezogene Werbung sieht man - auch anderswo in der Stadt, in Zeitungen oder im Internet - selten. Nur Raucher werden über U-Bahn-Werbung gerne zu Studienzwecken gesucht.

Woher kommt also die Sorge, wenn der Bund das Werbeverbot für Schwangerschaftsabbrüche aufhöbe, würden mehr Ärztinnen und Ärzte diesen Dienst effektiv anpreisen? »Abtreibung zum Nulltarif«, »Schwangerschaftsabbruch auch für den kleinen Geldbeutel« - wie wahrscheinlich sind derartige Werbeplakate an Bushaltestellen? Unwahrscheinlich. Ebenso unwahrscheinlich ist es, dass Frauen sich heute die Zähne reinigen lassen, morgen mal eben abtreiben, nur weil sie erfahren haben, dass ihre Gynäkologin den Dienst anbietet. Dafür sind die Entscheidung, eine Schwangerschaft abzubrechen, der Vorgang selbst, vor allem aber die seelischen Nachwirkungen, viel zu gewichtig. Dass nach Hamburg nun auch Berlin eine Liste mit Ärzten veröffentlicht hat, die Abtreibungen vornehmen, baut Druck auf. Nun muss der Bund den Paragrafen 219a, der das Werbeverbot im Strafgesetzbuch festschreibt, abschaffen.

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