Kanada gibt Cannabis frei

Das Parlament in Ottawa legalisiert den Besitz, Konsum, Anbau und Verkauf von Marihuana

  • Samuela Nickel
  • Lesedauer: 3 Min.

Nachdem das kanadische Abgeordnetenhaus bereits dafür gestimmt hatte, sprach sich auch eine große Mehrheit des Senats am Dienstag für die Legalisierung von Cannabis aus. Das Gesetz markiert das Ende einer 90-jährigen Prohibition in dem nordamerikanischen Staat: Cannabis war 1923 in Kanada kriminalisiert worden. Die umfassende Entkriminalisierung war bereits 2015 ein Wahlkampfversprechen von Premierminister Justin Trudeau gewesen. Zuvor war der Gesetzesentwurf mehrfach zwischen Senat und Unterhaus hin und her gegangen. Als Stichtag war zunächst der 1. Juli, Kanadas Nationalfeiertag, anvisiert worden - der Senat hatte allerdings mehr Zeit für Beratungen gefordert. In der endgültigen Abstimmung stimmten 52 Senatoren für den Entwurf, bei 29 Gegenstimmen.

Mit dem Cannabis Act hat die Regierung nun die Möglichkeit, eine beschränkte Anzahl von offiziellen Akteuren lizenzieren und regulieren zu lassen, die die Heilpflanze anbauen. Wie die pflanzlichen Produkte dann distribuiert werden, überlässt Kanada seinen zehn Bundesstaaten. Nach Inkrafttreten des Gesetzes solle es in autorisierten Geschäften ein Gramm Haschisch für etwa zehn kanadische Dollar (6,50 Euro) zu kaufen geben, das Mindestalter für den Konsum und den Anbau wurde auf 18 Jahre festgesetzt. Der Verkauf an Minderjährige wird mit Strafen von bis zu 14 Jahren Haft geahndet. Zudem beschränkt der Gesetzentwurf den persönlichen Besitz auf 30 Gramm und erlaubt den privaten Anbau mit bis zu vier Cannabis-Pflanzen. Offen bleibt, wie mit den Strafregistern von Tausenden Kanadiern umgegangen werden soll, die in Vergangenheit für den Besitz von Cannabis verurteilt wurden.

Ebenso wird von Seiten der indigenen Bevölkerung kritisiert, dass diese nicht ausreichend in der Ausarbeitung des Gesetzes miteinbezogen wurde. Das Komitee der indigenen Bevölkerung in Kanada hatte zuvor um einen Aufschub der Legalisierung gebeten. Repräsentanten hatten bereits Bedenken geäußert, dass in den indigenen Gemeinschaften eine längere Vorbereitungszeit auf die Legalisierung vonnöten sei, um Drogenmissbrauch vorzubeugen. Viele indigene Gemeinschaften in Kanada kämpfen seit Zeiten der Kolonialisierung mit hoher einer Armuts- und Selbstmordrate und Alkohol- und Drogenmissbrauch.

Ebenso fordern Vertreter der indigenen Bevölkerung eine genauere Ausarbeitung für die Beteiligung an dem neuentstehenden Markt mit den Cannabis-Produkten und den dadurch entstehenden Steuereinnahmen. Laut den kanadischen Behörden gab die Bevölkerung im letzten Jahr 5,7 Milliarden kanadische Dollar für Marihuana aus: Der Cannabis-Markt ist somit, ähnlich wie die Alkohol- und Tabakindustrie, ein Milliardenmarkt.

Kanada ist das zweite Land, das Cannabis legalisiert. Uruguay hatte 2014 als weltweit erster Staat den Anbau und Verkauf von Marihuana unter staatlicher Kontrolle erlaubt. Auch in einigen US-Bundesstaaten ist Cannabis legal. In Deutschland gelten Cannabis-Produkte als illegale Suchtmittel - Besitz, Anbau und Handel sind verboten. Für »Gelegenheitskonsumenten« kennt das Gesetz die Untergrenze der »geringen Menge« zum Eigenverbrauch. Nach der Verabschiedung müssen Premierminister Justin Trudeau und sein Kabinett nun ein neues offizielles Startdatum innerhalb der kommenden acht bis zwölf Wochen festlegen. In Kraft treten soll das Gesetz voraussichtlich im September. Kommentar Seite 4

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal