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PR-Projektleiter
Der russische WM-Trainer Stanislav Tschertschessow ist eine geradezu perfekte Figur, um den fröhlich-leichten WM-Sommer auszuschmücken
Gerade zwei Sätze hat der spanische TV-Reporter gesprochen, als ein Mitarbeiter der Medienabteilung des russischen Fußballverbandes mit bösem Gesicht herangeeilt kommt. »Unsere Spieler schlafen«, raunt der Russe in gebrochenem Englisch, Sicherheitsleute kommen näher. Der Reporter räumt seinen Platz im Vereinigten Sportzentrum Novogorsk.
Zwei Spieler, die gerade nicht ruhen, werden herangeschleppt: »Wir hatten eine ausgezeichnete Vorbereitung. Wir werden voll konzentriert antreten«, sagt Verteidiger Mário Fernandes. Und Torwart Andrey Lunev erklärt, dass das Team »alle Pläne verstanden« habe, die Stanislav Tschertschessow für das wichtige Achtelfinale gegen Spanien ausgetüftelt hat. Der Nationaltrainer ist auf dem Gelände die große Autorität, der Mann, der womöglich als heimlicher Gewinner aus diesem Turnier hervorgehen wird.
Der ehemalige Torhüter von Dynamo Dresden kann sehr unterhaltsam sein. Aber bei bestimmten Themen ist der Spaß vorbei. Als er jüngst darauf angesprochen wurde, dass die russische Mannschaft mehr laufe als alle anderen, was ja den kursierenden Dopingverdacht verstärkt, erwiderte er verärgert: »Ist das eine Frage zum Spiel oder ist das Philosophie?« Für ihn sei es ganz normal, dass die Mannschaft im eigenen Land hoch motiviert mehr laufe.
Gerne erzählt er von seiner Zeit beim FC Tirol, als Joachim Löw sein Trainer war. »Herr Löw hat mich geprägt«, sagt er, und der FC Bayern des Jahres 2013 unter Jupp Heynckes verkörpere sein Ideal von Fußball: »intensiv, vielfältig und doch einfach«.
Jenseits aller fachlichen Qualitäten ist der 54-Jährige eine geradezu perfekte Figur, um den fröhlich-leichten WM-Sommer auszuschmücken. »Alle Kritik hat sich in Lob verwandelt«, wird Sergej Anochin, Vizepräsident des russischen Fußballverbandes, zitiert.
Ihre vielleicht bedeutsamste Aufgabe haben Tschertschessow und seine Spieler schon längst erfüllt: Sie haben einen wichtigen Beitrag zur Entstehung bunter Jubelbilder geleistet und sind damit ein zentraler Mosaikstein im russischen PR-Projekt.
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