Schulterschluss gegen Donald Trump?

Deutschland und China beraten über die zukünftige wirtschaftliche und politische Zusammenarbeit

  • Werner Birnstiel
  • Lesedauer: 3 Min.

Es werden die wichtigsten deutsch-chinesischen Regierungskonsultationen seit ihrer Premiere 2011 sein: Nur sechs Wochen nach dem elften China-Besuch von Angela Merkel werden die Ministerriegen beider Länder, angeführt von der Bundeskanzlerin und Chinas Ministerpräsident Li Keqiang, Grundsätzliches für das weitere Miteinander für die kommenden Jahre festlegen. Denn nach der Bundestagswahl im September 2017, dem 19. Parteitag der KP Chinas im Oktober, der holprigen Regierungsbildung bis Frühjahr 2018 und der aktuell anhaltenden Regierungskrise hierzulande hat sich beiderseits der Bedarf an möglichst umfassender Abstimmung und Verständigung enorm gesteigert. Dieses Interesse wird befördert durch den eskalierenden Handelskonflikt beider Länder und der EU gegenüber den USA unter der Administration von Präsident Donald Trump.

Bemerkenswert ist, dass Chinas Führung bei diesen fünften Regierungskonsultationen deutlicher denn je die mit Präsident Xi Jinping 2014 vereinbarte »umfassende strategische Partnerschaft« inhaltlich zu untersetzen bestrebt sein wird. Kern bleiben die Wirtschaftsbeziehungen. Hier ist China für die Bundesrepublik seit 2016 der weltweit wichtigste Partner (Export: 86,16 Milliarden Euro / Import: 100,68 Milliarden Euro) und die EU-28 für China die Außenhandels Nummer eins mit 554 Milliarden Euro in 2017.

Politisch komplex und zugleich in allen Hauptbereichen zunehmend detaillierter werden alle Verhandlungsbereiche durch das mittlerweile dichte Geflecht von 80 Dialogforen auf hoher Regierungsebene untersetzt. Vertreter Pekings heben deshalb hervor, dass es bei diesen Verhandlungen auch darum geht, die »Vorbildrolle beider Länder« für die Gestaltung der Beziehungen China - EU herauszuarbeiten, ebenso, dass China und Deutschland treibende Kräfte bei der »Gestaltung einer Schicksalsgemeinschaft« weltweit sein sollen und ihre Kooperation als win-win-Entwicklung über ideologische Grenzen hinweg ausbauen.

In der vom 19. Parteitag der KP Chinas eingeleiteten »neuen Ära« wird die Schaffung politischen Vertrauens, die vertiefte strategische Kooperation in Verbindung mit einem wesentlich intensiveren kulturellen Austausch und eine engere internationale Abstimmung angestrebt. Chinas Strategie »Made in China 2025« soll mit Deutschland in Richtung innovative Entwicklung verbunden werden. Stichpunkte sind Digitalisierung, künstliche Intelligenz und Elektromobilität. Der Bau einer chinesischen Autobatteriezellenfabrik bei Erfurt mit circa 1500 Arbeitsplätzen wird zum Abschluss der Konsultationen am Dienstag verkündet werden. Für Peking geht es darum, ein realistisches Bild zum Stand und zu den Möglichkeiten einer Zusammenarbeit herauszuarbeiten. Dass sich dabei Konkurrenz weiter ausprägt und neue Bereiche hinzukommen wird von chinesischer Seite vorausgesetzt, innerchinesische Verhältnisse seien da seit eh und je nicht anders. Dementsprechend wird ein zentrales Anliegen dieser Verhandlungen sein, wie jeweils ein Interessenausgleich zustande gebracht werden kann.

Konkret geht es um Fragen zur Übernahme deutscher Unternehmen durch chinesische Investoren, um zu hohe Investitionshürden für deutsche Unternehmen und den mangelnden Schutz geistigen Eigentums im Reich der Mitte. Peking hält dagegen, dass Deutschland seit 30 Jahren in China investiert, insgesamt für über 80 Milliarden Euro, China demgegenüber erst vor fünf Jahren in Deutschland zu investieren begann und nur 0,3 Prozent aller Auslandsinvestitionen in Deutschland aus China kommen. Argumentiert wird, dass über 8000 deutsche Firmen in China tätig sind und die Autokonzerne VW-Audi, BMW und Daimler überaus gewinnträchtig fast zur Hälfte den chinesischen Automarkt dominieren. Zudem sei im Automobilbereich der Zwang zur Joint-Venture-Bildung aufgehoben und der Finanz- und Versicherungssektor für ausländische Beteiligungen geöffnet wurde. Seit den vergangenen Regierungskonsultationen im Juni 2016 in Peking steht gerade auch die »Neue-Seidenstraßen«-Initiative Chinas symbolisch für die inzwischen in ihrer Dimension noch nicht überschaubaren Möglichkeiten zur Kooperation, zugleich aber ebenso als Feld internationaler Konkurrenz, so auch zwischen Deutschland und China. Politisch tritt das immer wieder zutage, wenn Chinas gelenkte sozialistische Marktwirtschaft mit Forderungen konfrontiert wird, sich dem kapitalistischen neoliberalen politischen und Wirtschaftssystem des Westens anzupassen. Dem wird Peking nicht nachkommen.

Unser Autor ist promovierter Sinologe. Er berät und begleitet Unternehmen bei der Markterschließung in China.

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