Kämpfen lohnt sich doch

Mosambikaner liefern ein Lehrstück in Sachen Widerstand gegen Landnahme

  • Christa Schaffmann
  • Lesedauer: 4 Min.

Kürzlich erinnerte ich mich an ein Seminar des Koordinierungskreises Mosambik 2013, bei dem der Geschäftsführer der mosambikanischen Kleinbauernorganisation ORAM/Nampula, Carlisto Ribeiro, einen alarmierenden Vortrag über das Landwirtschaftsprojekt ProSAVANA in seiner Heimat hielt. In den Jahren zuvor waren die Weltmarktpreise für Nahrungsmittel drastisch gestiegen. Als Reaktion darauf betraten große Agrar- und Nahrungsmittelkonzerne die entwicklungspolitische Arena und gebärdeten sich als die neuen Agenten im Kampf gegen Hunger und Armut. Sie standen von Anfang an unter kritischer Beobachtung, hatte sich angebliche Hilfe aus den westlichen Industriestaaten doch bereits in zahlreichen Fällen ins Gegenteil verkehrt.

Ribeiro stellte ProSAVANA als mosambikanisch-japanisch-brasilianisches Großprojekt in der Region Nampula vor. In Mosambik gehört aller Boden dem Staat; er vergibt Landrechte in der Regel für 50 Jahre. Investoren sparen sich so große Anfangsinvestitionen und zahlen nur eine geringe Pacht. Das machte ProSAVANA für Brasilianer und Japaner interessant. Das Projekt sollte mehr oder weniger eine Kopie des in den 1980er Jahren in Brasilien verwirklichten Projekts »Prodecer« sein, das Brasilien zu einem der größten Exporteure von Sojabohnen gemacht hatte. Mosambik sollte zunächst 700 000, später 14 Millionen Hektar Land zum Anbau von Sojabohnen, Mais und anderen, für den Export in Industrieländer bestimmte Pflanzen zur Verfügung stellen.

Die Region Nampula, so Ribeira, sei dicht besiedelt. Das Projekt würde zur Vertreibung tausender Bauern und ihren Familien führen, die auf den zum Teil sehr fruchtbaren Flächen landwirtschaftliche Produkte nicht nur für den eigenen Bedarf produzierten.

Obwohl die Idee bei den Investoren bereits im Jahr 2000 entstanden war, erhielten die mosambikanischen Bauernverbände ORAM und UNAC erst 2012 Zugang zu wichtigen Projektinformationen. Nach deren Bekanntwerden kam es zu Protesten, weshalb der für 2014 geplante Projektbeginn verschoben wurde. Waren bisher alle Pläne ausschließlich von Ausländern erarbeitet worden, forderten die Bauern nun Transparenz und ein Mitbestimmungsrecht. Sie wollten wissen, was genau geplant ist, wer in welcher Weise profitiert und was das Projekt der mosambikanischen Bevölkerung bringt.

Den Bauern, ihren Verbänden und Unterstützern wurde jedoch rasch klar, dass sie damit noch nicht gewonnen hatten. Die Regierung setzte auf große Einnahmen aus der industriell betriebenen Landwirtschaft. Sie sah keine alternativen Lösungen und vertraute auf den Markt. Eine landwirtschaftliche Entwicklungspolitik existierte damals so wenig wie heute. Mosambik ist noch immer Nettoimporteur von Nahrungsmitteln. Es fehlt an Landmaschinen, fachlicher Beratung der Bauern und einer Infrastruktur, die den Transport von Nahrungsmitteln aus den fruchtbaren Regionen in andere Landesteile erleichtert beziehungsweise überhaupt möglich macht.

Die Bauernverbände schufen zusammen mit anderen Organisationen ein Netzwerk, verfassten Positionspapiere, formulierten Fragen und Forderungen an die Regierung, trugen Argumente zusammen und leisteten Aufklärungsarbeit bei der Bevölkerung. Medien wurden aufmerksam, Juristen lieferten Argumente aus dem mosambikanischen Landrecht. Das half Politikern und örtlichen Beamten, aber auch den Kleinbauern, informiert und selbstbewusst aufzutreten. Die Bauernverbände nahmen Kontakt nach Brasilien und Japan auf. Ihre Vertreter reisten dorthin und kamen mit Argumenten gegen das Projekt zurück.

Die Ablehnung wuchs, auch wenn keine hundertprozentige Einigkeit unter den beteiligten Organisationen herrschte. Doch sie verstanden, dass sie sich wegen im Detail bestehender Meinungsverschiedenheiten nicht auseinanderbringen lassen durften und weiterhin koordiniert vorgehen mussten. Es zahlte sich aus: Die Proteste schwappten auf andere Provinzen über. 23 mosambikanische Organisationen wandten sich an die eigene sowie die Regierungen Japans und Brasiliens. Die Regierung in Maputo musste einsehen, dass die Bevölkerung das Projekt nicht akzeptieren wird. Unterstützung kam auch von rund 40 internationalen Organisationen, von Hochschulen, Bürgerinitiativen und Bauern aus Brasilien.

Die Japaner, berichtete die französische Monatszeitung »Le Monde Diplomatique« vor kurzem, wollten nicht als Handlanger eines neuen Agrarkolonialismus dastehen und bekundeten als erste Bedenken. Sie räumten ein, nie eine Machbarkeitsstudie gemacht zu haben. Die brasilianische Seite ließ verlauten, sie sei nicht mehr interessiert. Mosambiks Regierung windet sich noch immer um ein Eingeständnis des Scheiterns herum, aber das Projekt liegt nun - fünf Jahre nach Ribeiros Zweifeln am Nutzen für sein Land - auf Eis. »A luta continua«, sagen die Mosambikaner: »Der Kampf geht weiter.«

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