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Marine setzt auf Untergang

Die Traditionsnamen der fünf neuen Korvetten knüpfen an kaiserliche »Ruhmestaten« an

  • René Heilig
  • Lesedauer: 3 Min.

Kurz vor dem Ende der vergangenen Legislaturperiode hat das Parlament in einem wundersamen Eilverfahren grünes Licht für den Bau von weiteren fünf Korvetten der K-130-Serie gegeben. Kurz zuvor hatte Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) den neuen Traditionserlass für die Bundeswehr unterzeichnet. Laut dem wird die gesamte deutsche (Militär-)Geschichte in den Blick genommen. »Ausdrücklich ausgeschlossen aber sind jene Teile, die unvereinbar mit den Werten unserer freiheitlichen demokratischen Grundordnung sind.« Zudem sollen die Benennungen von Kasernen und Schiffen der Bundeswehr »vorbildlich und richtungsweisend für ihren heutigen Auftrag wirken«, heißt es in dem Erlass.

Die Marine hat bereits fünf K-130 im Bestand. Sie tragen deutsche Städtenamen. Dem Vorbild will man beim zweiten Baulos folgen. Noch Jahre bevor das erste Schiff übergeben wird, einigte man sich auf die Namen: »Köln«, »Emden«, »Karlsruhe«, »Augsburg« und »Lübeck«. Der Inspekteur der Marine übermittelte bereits Ende Juli allen Bürgermeistern der ausgewählten Städte die »freudige Nachricht«. Es freue ihn »ungemein«, so schrieb Vizeadmiral Andreas Krause beispielsweise an Bernd Bornemann, den Oberbürgermeister Emdens, »dass die Bundesministerin der Verteidigung meine Entscheidung gebilligt hat, eine der fünf neuen Korvetten der Deutschen Marine auf den Namen ›Emden‹ taufen zu lassen«.

Auch wenn sich nicht so ganz erschließt, wieso Städte »vorbildlich und richtungsweisend« für den aktuellen Auftrag des deutschen Militärs sind, scheinen Korvetten-Namen und deutsche Geschichte durchaus miteinander vereinbar. Und dass die Städte die Patenschaften über »ihre« Schiffe übernehmen, ist gewiss mit einigen Vorteilen verbunden. Doch darauf, dass diese Namen durchaus problematisch sein können, verweist die Marineführung selbst, indem sie betont, man haben die Namen »anhand verschiedenster Kriterien ausgesucht«. Eines der wichtigsten sei der Traditionserlass gewesen. Bewusst habe man Schiffsnamen aus ihrer eigenen Geschichte gewählt. Nun stimmt es, dass es in der Geschichte der Bundesmarine tatsächlich fünf deutsche Kriegsschiffe gab, die diese Namen trugen. Entscheidend ist jedoch, weshalb man sie so benannt hat. Die Antwort auf diese Frage führt in Abgründe, die nichts mit den Werten unserer freiheitlichen demokratischen Grundordnung zu tun haben.

»Es gibt nur wenige Namen in der deutschen Marinegeschichte, die eine solche historische Beachtung gefunden haben wie ›Emden‹«, schrieb Vizeadmiral Krause an den OB der gleichnamigen Stadt. Die erste »Emden«, 1906 gebaut, war - und aus Militaristensicht - der erfolgreichste deutsche Kreuzer in überseeischen Gewässern. Die Besatzung führte Handelskrieg in Fernen Osten und versenkte in nur zwei Monaten 23 Handelsschiffe bevor ihr Schiff im November 1914 nahe der Kokosinseln von einem australischen Kreuzer versenkt wurde. Der Kaiser verlieh der gesamten Besatzung das Eiserne Kreuz. Die »Karlsruhe« versenkte 17 Schiffe, bevor sie vor Trinidad versank. Die »Lübeck« fuhr Attacken in der Ostsee, wo die »Augsburg« gegen die russische Flotte eingesetzt wurde. Über 500 Mann der »Cöln« starben vor Helgoland.

Natürlich hat niemand erwartet, dass die Marine ihre Schiffe nach Anführern des Kieler Matrosenaufstandes benennt. Das hat die DDR-Volksmarine getan, und die ist - laut Traditionserlass der Bundeswehr - als Bestandteil der NVA »Hauptwaffenträger einer sozialistischen Diktatur«, also sinnstiftend indiskutabel.

Man konnte noch keiner bundesdeutschen Marineführung vorwerfen, zu wenig über die Wirkung von Schiffsnamen nachgedacht zu haben. Beispielsweise vermied man es, ein stets Schiff »Nürnberg« zu nennen. Den Namen der Stadt, in der die NSDAP-Rechtsparteitage abgehalten und Kriegsverbrecher verurteilt wurden, wollte man doch nicht weltweit präsentieren. Zudem: Der Stapellauf der »Nürnberg« war erst 1934, kurz darauf beschoss der Kreuzer zur Unterstützung von Hitlers Legion Condor spanische Orte. Auch dass sie 1961 ihr Ende als »Admiral Makarow« der sowjetischen baltischen Rotbannerflotte erlebte, mag die deutsche Marineführung nicht besonders ermutigen, diesen Namen an den Rumpf einer Korvette zu malen.

Der Bau der fünf neuen Schiffe verläuft zeitlich gestaffelt. Der Stahlschnitt für die erste beginnt im Januar kommenden Jahres.

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