»Mit Rassismus hat das nichts zu tun«

Italien: Zahl der Übergriffe auf Schwarze und Roma steigt. Die Täter fühlen sich von der neuen Regierung bestärkt

  • Anna Maldini, Rom
  • Lesedauer: 3 Min.

In der Nähe von Turin haben junge Männer aus einem Auto heraus ein Ei auf eine schwarze Frau geworfen. Die Frau, eine italienische Diskuswerferin mit großer Zukunft, wurde am Auge verletzt. »Mit Rassismus hat das nichts zu tun«, sagte der Vater eines der Jungen. »Das war einfach nur ein dummer Jungenstreich«. Bei Rom wurde mit einem Luftgewehr ein kleines Roma-Mädchen, das von der Mutter auf dem Arm getragen wurde, so schwer am Rücken verletzt, dass es jetzt möglicherweise für immer gelähmt bleiben wird. Der Täter erklärte, dass er seine neue Waffe ausprobieren wollte und auf eine vorbeifliegende Taube gezielt habe. In Neapel wurde ein senegalesischer Straßenhändler von einem Motorrad aus angeschossen: Die Medien sprechen davon, dass er möglicherweise Probleme mit der organisierten Kriminalität hatte … Leider könnte man diese Liste über Seiten fortsetzen.

Dass sich das Klima im Land verändert hat, kann niemand bestreiten. Dazu trägt sicher die Regierung aus Lega und Fünf-Sterne-Bewegung bei, die Italien seit etwas über zwei Monaten regiert. Der »Frontman« dieser rassistischen Entwicklung ist Innenminister Matteo Salvini. Als sich die ersten Überfälle auf Schwarze und Minderheiten ereigneten, meinte er, dies sei eine »Erfindung« der linken Medien, das wirkliche Problem seien die sich mehrenden Gewalttaten, die von Migranten verübt werden.

Es vergeht kein Tag, ohne dass Matteo Salvini - ganz nach seinem Vorbild, dem amerikanischen Präsidenten Donald Trump - nicht irgendetwas zum Thema Migranten twittert, wobei seine Äußerungen alle in eine, in die rassistische Richtung gehen.

Sein Parteikollege, der Familienminister Lorenzo Fontana steht ihm da in nichts nach. Erst richtete er seine Beschimpfungen gegen Lesben und Schwule, aber vor wenigen Tagen wechselte er sein Ziel: Er forderte die Abschaffung des sogenannten »Gesetz Mancini«, das diejenigen unter Strafe stellt, die zur Gewalt und Diskriminierung aufgrund von Hautfarbe, Nationalität oder Religion aufrufen. Dieses Gesetz, so argumentierte der Minister, werde zur »Diskriminierung der Italiener« benutzt.

Wie sicherlich gewollt, schlug dieser Vorschlag wie eine Bombe ein. Der Aufschrei kam zuerst von den Partisanenverbänden, den Antifagruppen, der jüdischen Gemeinde und von linken Parteien. Innenminister Salvini erklärte, er würde die Ansicht seines Kollegen absolut teilen, sähe die Abschaffung des Diskriminierungsparagrafen allerdings nicht als Priorität an.

Die Fünf-Sterne-Bewegung tat das, was sie schon während der ganzen Rassismusdebatte getan hat: Sie schweigt. Parteichef Luigi Di Maio erklärte lediglich, diese Gesetzesänderung sei nicht im Koalitionsvertrag festgeschrieben. Nur Kammerpräsident Roberto Fico, der bekannteste »Quoten-Linke« innerhalb der Fünf Sterne, äußerte sich entschieden gegen die Abschaffung des Gesetzes, so wie er seine einsame Stimme auch immer gegen rassistische und faschistische Gewalt erhebt.

Wie gesagt: Das Klima in Italien hat sich geändert. Anfang letzter Woche wurden drei junge Frauen vom Polizeipräsidenten »mündlich verwarnt« und als »sozial gefährlich« eingestuft. Ihre »Schuld«? Während einer Wahlveranstaltung der ultrarechten Partei »Casa Puond«, die sich selbst als »Faschisten des Dritten Jahrtausend« bezeichnen, hatten sie den Faschisten zusammen mit anderen Frauen laut das Partisanenlied »Bella Ciao« entgegengeschmettert.

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