Antisemitismus nicht Geflüchteten zuschieben

Thüringens Ministerpräsident Ramelow: Antisemitismus sei »in der Mitte der Gesellschaft angekommen«

  • Lesedauer: 2 Min.

Erfurt. Der Thüringer Ministerpräsident Bodo Ramelow (LINKE) hat davor gewarnt, für das Erstarken des Antisemitismus in Deutschland nur Flüchtlinge aus muslimisch geprägten Ländern verantwortlich zu machen. Antisemitismus sei immer präsent gewesen, mittlerweile in der gesellschaftlichen Mitte angekommen und »wieder alltagstauglich«, sagte Ramelow dem Evangelischen Pressedienst (epd) vor einer Reise zur KZ-Gedenkstätte Auschwitz. »Das kann nicht den muslimischen Flüchtlingen zugeschoben werden, darf aber als Problem auch nicht aus dem Blick verloren werden.«

Junge Geflüchtete seien zwar oft »mit Hass auf Israel großgezogen« worden, sie hätten aber in Sachen Antisemitismus »lediglich ein weiteres Kapitel aufgeschlagen«, sagte Ramelow, der sich am Donnerstag in der KZ-Gedenkstätte Auschwitz mit jungen Juden und Muslimen aus Deutschland trifft. Zu der Gedenkfeier werden auch der schleswig-holsteinische Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) sowie die Vorsitzenden des Zentralrats der Muslime, Aiman Mazyek, und der Union progressiver Juden in Deutschland, Rabbiner Walter Homolka, erwartet.

Ramelow sprach sich gegen verpflichtende Besuche in Gedenkstätten im Rahmen des Schulunterrichts aus. Diese hätten »bei jungen Deutschen zu Selfies mit erhobenem rechten Arm« geführt, was genauso schwer zu ertragen sei wie etwa der Fangesang »Juden Jena« im Erfurter Fußballstadion. »Der Weg hin zu Respekt und Toleranz kann nur der Weg der persönlichen Erkenntnis sein, Verpflichtungen als Zwang sind da nicht hilfreich«, sagte der LINKEN-Politiker.

Zudem sei der Besuch einer Gedenkstätte nur ein Element auf dem Weg zu der Erkenntnis, wohin Intoleranz, Größenwahn und Menschenverachtung führten, sagte Ramelow: »Das Tragen religiöser Zeichen - wie Kippa, Kopftuch oder Kreuz - zu respektieren, ist ein Schritt dahin, gesellschaftliche Vielfalt als Bereicherung zu empfinden und Toleranz auch zu leben.«

Wer aber den Nationalsozialismus und seine Verbrechen als »Vogelschiss« der deutschen Geschichte verniedliche und eine 180-Grad-Wende in der Erinnerungskultur verlange, müsse sich den Vorwurf gefallen lassen, verantwortungslos zu handeln und die Gegenrichtung einzuschlagen. »So wird nicht Respekt, Menschenwürde und Toleranz gefördert, so wird weiter Hass gesät«, sagte der Ministerpräsident mit Blick auf die AfD. epd/nd

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