Entlastung per Lastenrad

NRW: Kann ein kommerzieller Anbieter dort Fuß fassen, wo der Verleih bisher kostenlos ist?

  • Matthias Arnold, Köln
  • Lesedauer: 3 Min.

Lange Staus, kaum Parkplätze und kurze Wege - in Großstädten gibt es wenig Gründe, sich ein eigenes Auto anzuschaffen. Einzig für den Großeinkauf, den Umzug oder den Familienausflug zum See wäre es manchmal praktisch. Doch deshalb gleich eins kaufen? Schon seit mehreren Jahren macht sich vor allem in Großstädten eine Alternative breit: Lastenfahrräder. Mehrere hundert Kilo lassen sich mit manchen Versionen transportieren - teils elektrisch, ohne Abgase, ohne Parkplatzsuche.

In vielen Städten in Nordrhein-Westfalen kümmern sich inzwischen Vereine und Initiativen um den kostenlosen Verleih ganz unterschiedlicher Lastenradtypen. In Köln versucht es seit einigen Wochen auch ein kommerzieller Anbieter.

50 teils elektrisch unterstützte Lastenräder hat dort das Unternehmen Donkee aufgestellt, das zu einer Tochter des grünen Energieversorgers Naturstrom gehört. »Schwerpunktmäßig stehen die Räder in den Stadtteilen Ehrenfeld und Nippes«, sagt Naturstrom-Sprecher Tim Loppe. Genau dort lebt die Zielgruppe aller Lastenrad-Anbieter: Junge, umweltbewusste Familien ohne eigenes Auto, nah an der Innenstadt.

Die Fahrzeuge von Donkee sind stationsgebunden, müssen also stets dorthin zurückgebracht werden, wo sie abgeholt wurden. Nach einer kurzen persönlichen Einweisung lassen sie sich per App freischalten und abschließen - ähnlich wie bei gewöhnlichen Leihradanbietern. »Inzwischen haben wir rund 1850 registrierte Kunden«, sagt Loppe. Donkee ist deutschlandweit nach eigenen Angaben bislang der größte Lastenradvermieter und einer der ersten, die die Räder kommerziell über eine App vermieten.

Schon seit mehreren Jahren bieten zahlreiche Initiativen in ganz Nordrhein-Westfalen hingegen die Möglichkeit, sich ein solches Lastenrad bei Bedarf kostenlos auszuleihen. Eins davon ist das Projekt »Kasimir - Dein Lastenrad« in Köln. Möhrchen, Lola oder Minnie heißen die Radtypen, die ausgeliehen werden können. Zweirad oder Dreirad, mit einer Transportkiste vor dem Lenker oder hinter dem Sattel: Bis zu 200 Kilogramm lassen sich damit transportieren.

Während Donkee auch Geld verdienen will, steht hinter den freien Lastenrädern ein ganz anderer Gedanke. »Was wir machen, ist vielmehr eine Kampagne für das Lastenrad«, sagt Hannes Wöhrle, der »Kasimir« in Köln mit aufgebaut hat. Er betreut auch mit dem »Forum freier Lastenräder« ein bundesweites Netzwerk von Projekten.

Wöhrle sieht die Fahrzeuge als »wichtigen Baustein einer zeitgemäßen Mobilität«, aber auch als Möglichkeit, dass Menschen sich begegnen und austauschen. Ziel seines Projekts: Lastenräder als Gemeingut; die Menschen auf den Geschmack und miteinander in Kontakt bringen, so dass sich etwa Nachbarschaften ein Transportrad zulegen und miteinander teilen.

Kommerzielle Anbieter wie Donkee betrachtet Wöhrle daher skeptisch. »Ich denke, das ist vom Markt her schwierig«, sagt er. Die Nutzungsszenarien für Lastenräder seien andere als bei gewöhnlichen Leihrädern. »Sie fahren mit einem Lastenrad nicht mal eben zum Bahnhof.«

Mit seiner Haltung ist Wöhrle nicht allein. Freie Lastenradprojekte wie »Kasimir« gibt es inzwischen in zahlreichen NRW-Städten und auch in anderen Bundesländern. In Düsseldorf fördert die Verkehrswacht die Initiative Schickemütze. In Essen gibt es Ela sowie ein Angebot des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs (ADFC) und im ostwestfälischen Detmold lässt sich sogar ein elektrisches Lastenrad kostenfrei ausleihen. Eine saubere und sportliche Alternative zum Auto, auf die längst auch große Zusteller wie DHL, Hermes und Co. setzen.

Damit noch mehr Menschen tatsächlich vom Auto aufs Fahrrad umsteigen, müssten vor allem die Städte nachbessern, sagt ADFC-Experte Stephan Behrendt. »Fahrradwege sind dabei nur eine Lösung.« Diese müssten natürlich breiter werden. Doch darüber hinaus bräuchte es auch eine Regelgeschwindigkeit von 30 Stundenkilometern in Innenstädten, damit Auto und Fahrrad beim Tempo näher beieinander liegen, sagt Behrendt. Angesichts der Dieselkrise dürfte man in den Städten zunehmend auch solche Möglichkeiten in Betracht ziehen. dpa/nd

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