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Die Tore fallen rund um die Unabhängigkeit

Katalanisches Derby zwischen Barça und Girona endet unentschieden

  • Martin Ling, Barcelona
  • Lesedauer: 4 Min.

Für politische Statements ist Fußballstar Lionel Messi nicht bekannt. Doch wenige Sekunden nach den obligatorischen Unabhängigkeits-Sprechchören in Minute 17.14 in Anlehnung an die Unterwerfung durch Spanien 1714, die seit vergangenen Oktober um die Forderung nach der Freiheit der damals und bis heute inhaftierten politischen Gefangenen Kataloniens ergänzt werden, schlug der argentinische Zauberfloh nach glänzender Vorarbeit des von Bayern München gekommenen Chilenen Arturo Vidal mit einem trockenen Flachschuss ins linke Eck zu. Es war der Start zu einem rasanten katalanischen Derby zwischen dem altehrwürdigen FC Barcelona und dem Emporkömmling Girona FC aus der gleichnamigen katalanischen Provinz, die bisher eher für die Drei-Sterne-Küche des weltberühmten Gourmetrestaurants Can Roca und als Hochburg des Separatismus bekannt war als für erstklassigen Fußball. So hat dieses katalanische Derby in der Primera División noch keine Tradition: Erst zum zweiten Mal gastierte der Girona FC im Camp Nou. Girona FC ist der Lieblingsverein des exilierten katalanischen Ex-Präsidenten Carles Puigdemont, der zuvor Bürgermeister in Girona war und sich Livespiele bis auf Weiteres verkneifen muss. Bei Einreise nach Spanien ist ihm die Verhaftung sicher.

Der Girona FC schaffte erst 2017 erstmals den Aufstieg in Spaniens Liga und fristete davor seit seiner Gründung 1930 sein Dasein in unteren Ligen. 2008 gelang dann der Aufstieg in die zweite Liga und neun Jahre später der Sprung in die erste. Das trotz schmalem Budget der Klassenerhalt mit einem beachtlichen zehnten Rang locker gelang und auch in dieser Saison nach vier Spielen schon wieder ein beachtlicher sechster Rang zu Buche stand, liegt auch an den berühmten Brüdern Guardiola, Startrainer Pep und Fußballunternehmer Pere. Denn der Girona FC gehört zu 44,3 Prozent der City Fußball Group, der auch das von Pep trainierte Manchester City gehört und zu 44,3 Prozent der Girona Football Group, bei der Pere das Sagen hat. Man City stellt Girona FC Leihspieler, für die sie selbst noch keine Verwendung haben, kostengünstig zur Verfügung. Ein großer Deal für den kleinen Girona FC, der nichtsdestotrotz als Aktiengesellschaft organisiert ist während der große FC Barcelona nach wie vor ein Verein ist, bei dem zumindest theoretisch die Mitglieder das Sagen haben, weil sie über den Präsidenten und auch andere Fragen wie einst Trikotwerbung ja oder nein per Referendum bestimmen: erfahrungsgemäß im Zweifel für den Kommerz, ohne den eine so teure Mannschaft mit einem Gehaltsvolumen von über 600 Millionen Euro pro Jahr schlicht nicht finanzierbar wäre.

Die Fans angefangen von zigtausenden Touristen hält der Kommerz freilich nicht davon ab, ins Stadion zu strömen: 76.055 wurden am Sonntagabend vermeldet, trotz späten Spielbeginns um 20.45. Doch wegen des Feiertags am Montag für die Schutzpatronin Mercé ist arbeitsfrei und zudem fahren die U-Bahnen durch, sodass der sonst übliche Verkehrskollaps nach großen Spielen entfiel. Die Fans vorzugsweise aus dem Ausland investieren jede Menge Euros in Fanaccessoires, wenn sie schon mal vor Ort sind. Dafür werden sie auch in jedem Spiel vom Stadionsprecher auf Englisch willkommen geheißen, wobei sonst alle Ansagen ausschließlich auf Katalanisch zelebriert werden. Während der Franco-Diktatur (1936-1975) war das Stadion Camp Nou einer der wenigen öffentlichen Orte, an denen offen Katalanisch gesprochen wurde, eigentlich war es bei Strafe verboten und nur in den eigenen vier Wänden erlaubt, Katalanisch-Lehrer standen allein während ihres Berufshintergrunds mit einem halben Bein im Gefängnis.

Fußball und Politik lassen sich in Barcelona seit diesen Zeiten schwer trennen. Das Ausgleichstor für Barcelona, das seit der 34. Minute nur noch mit zehn Mann spielte, weil der französische Innenverteidiger Lenglet in seinem Stammelfdebüt per Videoüberwachung wegen Ellbogeneinsatzes die rote Karte sah, fiel in der 17. Minute der zweiten Hälfte, sodass die Unabhängigkeitsgesänge bis zur 18. Minute nach dem verhallenden Torjubel warten mussten. Dass der Videoschiedsrichter ausgerechnet aus Madrid kam, ist für manchen Anlass für neue Verschwörungstheorien.

Das Unentschieden ist für Girona FC glücklich, aber nicht unverdient. Bei elf gegen elf kam Girona nur selten gefährlich vors Tor, mit 11 gegen zehn wurde es ein rasantes Spiel mit Vorteilen für die dezimierten Hausherren, bei immer über rumänisch-uruguayisches Sturmduo gefährlichen Gästen. Der Uruguayer Stuani traf doppelt und steht nun schon bei sechs Saisontoren, keiner hat mehr nur Leo Messi hat nach fünf Spieltagen genau soviel.

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