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Wir alle sind Migranten

Karin Bojs stellt unsere europäische Familie vor

  • Eckart Roloff
  • Lesedauer: 3 Min.

Woher kommen wir? Wer waren unsere Vorfahren? Für unsere Eltern wissen wir das, meist auch für die Großeltern und vielleicht noch Urgroßeltern. Dann wird es schwierig, dunkel, ungewiss. Doch diese Spurensuche in eigener Sache kann reizvoll sein. Kein Wunder, dass die Ahnenforschung in Deutschland und anderswo stark zugenommen hat.

Karin Bojs: Meine europäische Familie. Die ersten 54 000 Jahre.
A. d. Schwed. v. Maike Barth und Inge Wehrmann. Theiss, 431 S. geb., 29,95 €.

Solche Fragen haben auch die schwedische Wissenschaftsjournalistin Karin Bojs bewegt. Ihre Mutter war gestorben, und bei der Trauerfeier, bei der Begegnung mit Verwandten, überlegte sie sich, was es mit ihrer Familie auf sich hatte. Wie war das mit den Generationen davor, mit deren Leben, deren Abstammung? Sie saß bereits an einem Buch zu solchen Themen und wusste, wie wegweisend etwa die Sache mit der DNA ist, jener chemischen Verbindung, die unsere Erbinformationen in sich trägt.

So kam es, dass ihre Ahnenforschung kaum aus dem Fahnden in alten Kirchenbüchern bestand, sondern aus Gesprächen in Forschungsinstituten und Genlabors und aus Museumsbesuchen. Der Titel »Meine europäische Familie« führte zwangsläufig zur Frage, wie sich jene Menschen entwickelt haben, die früher auf dem Kontinent lebten und heute hier leben. Sie will das wissen - und mehr: »Wie war das mit der Kreuzung zwischen Neandertalern und modernen Menschen vor ungefähr 54 000 Jahren?« Was ist ihnen gemeinsam, was trennt sie? Zwar sinnt Karin Bojs darüber nach, wieweit sie womöglich Wikingerin ist, wieweit Samin, auch lässt sie ihre DNA entschlüsseln und erklärt, wie so etwas vor sich geht, aber die weitaus meisten Kapitel des Buches befassen sich mit unserer aller Ahnen und dem, was Wissenschaftler dazu bisher ermittelt haben - das deuten Überschriften wie »Neandertaler in Leipzig«, »Ötzi«, »Konflikte in Pilsen und Mainz«, »Die Himmelsscheibe in Halle« (dort ist die von Nebra ausgestellt) an.

Durch halb Europa ist Bojs gereist, um uns etwas über unsere Frühzeit zu vermitteln. Eine besondere Rolle spielte dabei Svante Pääbo, ihr schwedischer Landsmann, der als Direktor der Abteilung für Evolutionäre Genetik am Leipziger Max-Planck-Institut seit vielen Jahren sehr erfolgreich an diesen Themen arbeitet. Schade jedoch, dass die Autorin auch bei Stoffen aus dem deutschsprachigen Raum fast nur die auf Englisch erschienene Literatur anführt und der Band weder Karten noch Bilder enthält.

Gleichwohl ist dieses Buch der mehrfach prämierten Autorin höchst aufklärend und lesenswert. Bisher gibt es schon Übersetzungen in zehn Sprachen. Wer dieses Buch aufmerksam liest, wird dies verstanden haben - und annehmen: Wir alle sind Migranten, und wir haben eine gemeinsame Vergangenheit.

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