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Fluchtstücke

Astrid Rosenfeld hat in ihrem Roman viele individuelle Geschichten, Wege und Schicksale mehrerer Generationen verknüpft, wobei Frauen im Vordergrund stehen

  • Sabine Neubert
  • Lesedauer: 3 Min.

Dies ist ein Buch der Unruhe, des Unterwegsseins, des Verlierens, aber auch des Findens. Viele individuelle Geschichten, Wege und Schicksale mehrerer Generationen sind zu einer größeren Erzählung verknüpft, die sich am Ende an einem magischen Ort in einer vagen Gegenwart oder Zukunft verflüchtigt, im Übrigen aber sehr real und realistisch ist und die großen Jahrhundertereignisse zusammenbindet.

Astrid Rosenfeld: Kinder des Zufalls.
Roman. Kampa Verlag, 270 S., geb., 22 €.

Alle wichtigen Personen sind, wie der Buchtitel schon sagt, als Kinder des Zufalls schicksalhaft miteinander verbunden. Das Sprunghafte, sprachlich Lebendige macht das Buch spannend. Dass im Mittelpunkt Charlotte, eine (schon mehr als nur) eigenwillige Frau steht, verwundert nicht. Astrid Rosenfeld weiß, wie man einer solchen Frau ein Profil gibt. Auf der »Dreh-Bühne«, die Amerika (und Welt) heißt, agieren sehr viele weitere Personen, wobei die Frauen im Vordergrund stehen.

Beginnen wir mit dieser Charlotte! Als uneheliches Kind eines amerikanischen Offiziers und seiner Haushälterin nach dem Zweiten Weltkrieg in Heidelberg geboren, hat es die junge Frau unwiderstehlich in die USA gezogen. Ihr unruhiges Herz treibt sie dort weiter und quer durch den Süden der Staaten. Bei einer ihrer Fluchten lernt sie Collin kennen, mit dem sie eine Weile zusammenlebt und der sie eines Tages seiner alten, polnischen Großmutter Agnieszka vorstellt. Beide Frauen fühlen sich sofort verbunden. Diese Verwandtschaft wird auch real geknüpft, weil Charlotte ein Kind von Collin bekommt. Als der Sohn Maxwell zur Welt kommt, ist Collin schon für den Vietnamkrieg rekrutiert worden. Maxwell wird seinen Vater nie kennenlernen, aber seine Mutter schleppt ihn sieben Jahre lang über die amerikanischen Highways von Motel zu Motel, bis sie auf einer Ranch in Texas am Rande der Chihuahua-Wüste einen vorläufigen Ruhepunkt finden. Aber für wen heißt das schon Ruhe? Für Maxwell schon gar nicht.

Nun gibt es aber noch eine dritte Frau, die mit dem Schiff von Europa nach Amerika kommt. Elisabeth, deren Mutter sie gern Jelisaweta genannt hätte, kommt aus dem beschaulichen Stuttgart und entstammt einer kurzen, glücklichen Liebesaffäre ihrer braven Mutter Annegret mit dem Russen Nicolaj, der ihr die Liebe zum Ballett ins Herz gepflanzt haben muss.

Maxwell wird ein berühmter und dann wieder vergessener Cowboy in einem Hollywoodfilm und Elisabeth in New York Balletttänzerin. Als das Geschick sie zusammenführt, ist beider Karriere schon am Ende. Aber zusammen beginnen sie ein neues Leben an dem Ort, wo Maxwell einst so etwas wie Heimat gefunden hatte, in Myrthel Spring am Rande der Wüste mit den hunderten von Yuccas.

»Myrthel Spring - schon der Titel ist poetisch«, sagt der Schriftsteller Glenn Winston, der alles aufschreiben will, »und eines Tages kamen sie nach Myrthel Spring, all die Verlorenen, Verkannten und Verwundeten, und sie fanden ...« Was sie fanden, weiß keiner.

Nur die ewige Unruhe gesteht die Autorin den Kindern des Zufalls zu.

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