Die Wahl zwischen zwei Übeln

Negative Emissionen lassen sich mittels Abscheidung und Speicherung von CO 2 sowie mittels Geoengineering erreichen. Beides birgt hohe Risiken

  • Christoph Müller
  • Lesedauer: 3 Min.

Nahezu alle Wege, die der Weltklimarat IPCC als gangbar zum Erreichen des 1,5-Grad-Ziels ermittelt hat, erfordern sogenannte negative Emissionen. Das bedeutet: Anders als beim herkömmlichen Klimaschutz, der zum Ziel hat, immer weniger Treibhausgase entstehen zu lassen, wird dabei der Atmosphäre mit technologischen Hilfsmitteln Kohlendioxid entzogen.

Dafür gibt es verschiedene Methoden. Am naheliegendsten sind das Aufforsten gerodeter Wälder, die Wiedervernässung trockengelegter Feuchtgebiete sowie die Wiederherstellung von Mangrovenwäldern und Seegraswiesen. Alle diese Maßnahmen haben zusätzlich einen Nutzen für die Artenvielfalt.

Bestehende Wälder können außerdem mehr CO2 speichern, wenn Raubtiere wieder angesiedelt werden, die dann die Pflanzenfresser in Schach halten. Auf Agrarland lässt sich derweil mit geeigneten landwirtschaftlichen Methoden die Speicherung von CO2 im Boden verbessern. Möglich wäre hier auch das Unterpflügen von Biokohle - Pflanzenabfällen, die über einen langen Zeitraum in sauerstoffarmer Umgebung, etwa unter der Erde, erhitzt und auch zum Düngen verwendet werden können.

CO2 ließe sich zudem in Gebäuden binden, indem man mit Holz oder mit Bambus baut. Das würde zusätzlich den Verbrauch von klimaschädlichem Beton reduzieren.

Neben solchen Methoden gibt es aber auch eine Technik namens BECCS (Abkürzung für »Bioenergie mit CO2-Abscheidung und -Speicherung«). Dabei wird pflanzliches Material zunächst verbrannt, sprich: Bioenergie erzeugt. Anschließend wird aus dem Rauch das Kohlendioxid herausgefiltert und in Gesteinsformationen verpresst. Durch solche Abscheidung und Speicherung (CCS) soll das CO2, das die Pflanzen beim Wachstum aufgenommen haben, dauerhaft der Atmosphäre entzogen werden. Es stellt sich allerdings die Frage nach der Machbarkeit. Wenn sich die Welt stark auf BECCS verlässt, wäre eine riesige CCS-Infrastruktur erforderlich. Auch müssten an Land oder im Meer große Mengen an Energiepflanzen produziert werden.

Weitere Methoden für negative Emissionen fallen in die Kategorie Geoengineering: Da ist zunächst die Verwitterung von Gestein, denn auch dabei wird CO2 gebunden. Der Prozess lässt sich beschleunigen, indem man Gestein zu Pulver zermahlt und dann Regen aussetzt. Anschließend kann man das Gesteinsmehl auf Äckern als Mineraldünger ausbringen oder ins Meer schütten, wo es auch bei natürlicher Verwitterung gelandet wäre. Das wirkt auch der Versauerung der Ozeane entgegen. Allerdings wäre dies ein starker Eingriff in die Umwelt und damit riskant.

Eine weitere Methode des Geoengineerings ist die Meeresdüngung etwa mit Eisenspänen, um das Algenwachstum anzuregen. Wenn diese dann absterben und auf den Meeresboden sinken, ist ebenfalls CO2 gebunden. Wissenschaftler und Umweltschützer warnen indes davor, dass der Sauerstoffverbrauch der Algen riesige »Todeszonen« in den Weltmeeren schaffen könnte.

Weder Pflanzen noch Gestein braucht schließlich eine dritte Methode: Hierbei strömt Luft durch einen Filter, der das CO2 bindet. Ist dieser »gesättigt«, wird er erhitzt. Dadurch gibt der Filter das Treibhausgas wieder frei, das anschließend mittels CCS entsorgt wird. Allerdings benötigt diese Technik mit der Bezeichnung »Direct Air Capture« (DAC) Strom. Folglich ist sie nur dann sinnvoll, wenn genug Strom aus erneuerbaren Quellen zur Verfügung steht. Ohnehin steckt diese Technologie noch in den Kinderschuhen.

Ohne raschen Klimaschutz hat die Menschheit anscheinend nur die Wahl zwischen zwei Übeln: CCS in irgendeiner Form oder Geoengineering.

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