Familientrennung belastet Flüchtlinge schwer

DIW-Studie untersucht Lebenszufriedenheit von geflüchteten Menschen und Auswirkungen auf Integration

  • Marie Frank
  • Lesedauer: 3 Min.

Flüchtlinge, die in Deutschland getrennt von ihrer Familie leben müssen, sind deutlich unzufriedener als diejenigen, die ihre Kinder und Ehepartner*in nachholen dürfen. Das geht aus einer Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) und der Hertie School of Governance hervor, die erstmals den Zusammenhang zwischen Familienstruktur und Wohlbefinden von geflüchteten Menschen untersucht hat. Vor allem aufgrund der Trennung von den Kindern sind Flüchtlinge deutlich weniger zufrieden mit ihrem Leben in Deutschland - andere Faktoren haben einen geringeren Einfluss.

»Familie hat für das Wohlbefinden eine große Bedeutung - deshalb geht eine Trennung von der Familie bei vielen Geflüchteten nachweisbar mit einer größeren Unzufriedenheit einher«, sagt Studienautorin Diana Schacht. Und das betrifft nicht gerade wenige: Von 23 Prozent der Flüchtlinge mit minderjährigen Kindern lebt mindestens eines der Kinder im Ausland, 27 Prozent haben Ehepartner*innen im Ausland.

Laut Studie sind es in erster Linie Männer, die von ihren Kindern getrennt leben: So lebt jeder dritte nach Deutschland geflüchtete Vater in einem anderen Land als sein Kind - und in der Regel auch als die Ehefrau. Demgegenüber sind es nur fünf Prozent aller Frauen und acht Prozent aller Mütter, auf die das zutrifft. Besonders häufig trifft das auf Geflüchtete aus afrikanischen Ländern der Subsahara zu.

Für die Studie haben die Autor*innen insgesamt 3400 Personen im Alter von 18 bis 49 Jahren befragt, die zwischen Januar 2013 und Januar 2016 nach Deutschland geflüchtet sind. Auf einer Skala von Null (ganz und gar unzufrieden) bis Zehn (ganz und gar zufrieden) geben Männer im Durchschnitt einen Wert von 6,8 an, Frauen von 7,2. Besonders stark fällt dabei der Unterschied zwischen Geflüchteten mit Kindern in Deutschland (7,5) und Kindern im Ausland (5,8) aus.

Die Familie ist jedoch nicht nur für das individuelle Wohlbefinden wichtig, sondern spielt auch bei der Integration eine zentrale Rolle. Die gelinge eher, wenn Kinder und Ehepartner*in vor Ort seien, so Diana Schacht. »Das Potenzial der Familie für eine gelungene Integration sollte nicht unterschätzt und etwa in der Debatte um den Familiennachzug stärker beachtet werden«, ergänzt C. Katharina Spieß, Leiterin der Abteilung Bildung und Familie am DIW.

Die Autorinnen empfehlen, die Erkenntnisse der Studie beim Familiennachzug stärker zu berücksichtigen. Das Wohlbefinden der Eltern sei auch deshalb bedeutend, weil sich deren Zufriedenheit unmittelbar auf die Entwicklung ihrer Kinder auswirke, erklärt C. Katharina Spieß. Das Potenzial von Familie für eine gelungene Integration sollte besser ausgeschöpft werden.

Seit August dieses Jahres gilt die Neuregelung zum Familiennachzug für subsidiär Schutzberechtigte, was insbesondere Menschen aus dem Bürgerkriegsland Syrien betrifft. Die sieht vor, dass monatlich nur 1000 Angehörigen der Nachzug gestattet wird. Im ersten Monat haben jedoch nur 42 Angehörige ein Visum erhalten. Die Menschenrechtsorganisation Pro Asyl schätzt die Zahl der Betroffenen auf rund 60 000 und kritisiert, dass die Bundesregierung die Familienzusammenführung von Flüchtlingen systematisch behindere.

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