Langer Atem angekündigt

Annegret Kramp-Karrenbauer verkündet kanzlerhaft ihre Kandidatur für den CDU-Vorsitz

  • Uwe Kalbe
  • Lesedauer: 4 Min.

Fast konnte man den Eindruck gewinnen, Annette Kramp-Karrenbauer bewerbe sich nicht nur um den CDU-Vorsitz, sondern gleich mit ums Kanzleramt. Die großen Linien der Politik in Deutschland, Europa und der Welt zeichnete die Generalsekretärin der CDU bei ihrem Auftritt in der saarländischen Landesvertretung am Mittwoch in Berlin. Hier verkündete sie als letzte der drei prominenten und damit aussichtsreichen Kandidaten ihre Absicht, das Amt des CDU-Vorsitzes von Amtsinhaberin Angela Merkel zu übernehmen, wenn diese auf dem nächsten Parteitag in Hamburg nicht wieder antritt. Beinahe wie die Kanzlerin in ihrer regelmäßigen Sommer-Pressekonferenz scheute auch Kramp-Karrenbauer keine Frage. Und sogar die angestrengte Formulierungskunst der Saarländerin erinnerte an ihre große Meisterin. Am Montag, 29. Oktober, habe Bundeskanzlerin Merkel die Entscheidung getroffen, auf dem Parteitag im Dezember in Hamburg nicht mehr als Parteivorsitzende zu kandidieren und damit erklärt, dass ihre Zeit als Vorsitzende zu Ende geht. Damit gehe gleichzeitig eine Ära zu Ende. Uff.

Allerdings: Kramp-Karrenbauer begnügt sich nicht mit der Übernahme von Merkels Erbe. Einerseits: Angela Merkel habe die CDU verändert, wie sehr, wie nachhaltig, das werde man »erst nach einem gewissen Zeitablauf erkennen können«. Andererseits spricht Kramp-Karrenbauer von einer »bleiernen Zeit«, wenn sie das Agieren der Bundesregierung der letzten Monate zu beschreibt. Die Ära Merkel fortzusetzen, sei so unmöglich wie sie rückgängig zu machen, meinte die ehemalige saarländische Ministerpräsidentin. Und dass sie jetzt Anlauf aufs Kanzleramt nimmt, ist für sie offenkundig ein folgerichtiger Schritt, nachdem sie dem Ruf Merkels folgte und Generalsekretärin wurde. Sie habe damit ein Staatsamt verlassen, um sich in den Dienst der Partei zu stellen - »eine der besten Entscheidungen, die ich in meinem Leben getroffen habe«.

Mit neuen Themen und neuem Stil zu neuer Stärke - das ist die dreifaltige, heilige Mission, der die 56-jährige Politikerin sich erkennbar verschrieben hat. Und Kramp-Karrenbauer ist überzeugt von sich. Die Partei werde zwischen den verschiedenen Angeboten der Bewerber auswählen und sich auf dem Parteitag im Dezember in Hamburg entscheiden können. Für Friedrich Merz und Jens Spahn wünscht sie sich anschließend, dass sie ihre Expertise auch weiterhin in den Dienst der Partei und des Landes stellen. Für Merz und Spahn musste das großzügig formulierte Angebot wie eine mittelschwere Provokation klingen.

Die beiden Konkurrenten Kramp-Karrenbauers haben ihr erstes Pulver bereits in der letzten Woche verschossen, als sie ihre Kandidaturen verkündeten. Wenig förderlich für Friedrich Merz dürfte sich überdies eine Durchsuchung der Steuerbehörden beim Vermögensverwalter Blackrock am Dienstag in München auswirken - auch wenn der Aufsichtsratsvorsitzende umgehend beteuerte, mit den kriminellen Cum-Ex-Geschäften, um die es dabei geht, nichts zu tun zu haben. Auch die Staatsanwaltschaft beeilte sich am Mittwoch mitzuteilen, es werde nicht gegen den Aufsichtsratschef ermittelt. Warum sie ermittelt, teilte die Behörde jedoch nicht mit. Friedrich Merz ist seit Frühjahr 2016 Aufsichtsratschef des deutschen Ablegers der US-Fondsgesellschaft Blackrock. »Cum-Ex«-Geschäfte hatte er als »vollkommen unmoralisch« verurteilt. Bei diesen »Geschäften« verschoben Banken und Fonds rund um den Dividenden-Stichtag Aktien und ließen sich die Kapitalertragssteuer mehrfach vom Fiskus erstatten.

Die Kandidaten Merz und Spahn, die beide aus dem Landesverband Nordrhein-Westfalen kommen, begründeten am Dienstag dem Landesvorstand formell ihre Kandidaturen. Die nordrhein-westfälische CDU werde keine Wahlempfehlung für einen der Kandidaten aussprechen und kein geschlossenes Votum abgeben, hieß es anschließend. Jeder Delegierte des Hamburger Bundesparteitags könne sich selbst ein Bild machen und am 7. Dezember entscheiden, sagte der Landesparteichef, Ministerpräsident Armin Laschet.

Es werde keine erbitterte Auseinandersetzung geben, sondern einen fairen Wettstreit, versprachen Merz und Spahn dabei in Düsseldorf. Die entschlossenste Bewerbung liegt nun auch mit der von Annegret Kramp-Karrenbauer vor. Zuerst ging bei der Partei offiziell ihre Bewerbung ein, vorgeschlagen vom Landesverband Saar und der Frauen-Union. Am Mittwoch folgte der Vorschlag des Kreisverbandes Fulda für Friedrich Merz. Kämpferisch dürfte womöglich auch Angela Merkel ihre Vertraute empfinden. Zu oft habe in den letzten Jahren die Regierung entschieden und die CDU musste es im Nachhinein akzeptieren. »Wir müssen die Prozesse umkehren.« Positionen müssten künftig von der Partei festgelegt werden und dann ins Regierungshandeln münden.

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