Fettnapfhüpfen mit der SPD

Die Partei debattiert, ob Olaf Scholz ein guter Kanzler wäre. Die Justizministerin plädiert derweil für konsequenteres Abschieben

Kaum zu glauben, aber wahr: Die SPD will den nächsten Kanzler stellen. Sagt zumindest Olaf Scholz, Bundesfinanzminister. Im Interview mit »Bild am Sonntag« antwortete er zudem auf die Frage, ob er selbst sich dieses Amt zutraue, mit Ja.

In der Partei, deren Umfragewerte seit der desaströsen Bundestagswahl 2017 weiter sinken und sinken, ruft die Wortmeldung Unbehagen hervor. Führende Genossen zeigten sich verärgert, und die stellvertretende Juso-Vorsitzende Katharina Andres stellte klar: »Das ist der falsche Zeitpunkt, der falsche Mann und die falsche Methode.« Andres’ Alternativvorschlag wirkt hingegen kaum weniger unberührt von der Realität außerhalb des sozialdemokratischen Kosmos. Für sie sei SPD-Chefin Andrea Nahles die »erste Wahl«, sagte die Jungpolitikerin im Interview mit der »Hannoverschen Allgemeinen Zeitung« (Montagausgabe). Dabei will Nahles sowohl innerhalb als auch außerhalb der SPD nur eine Minderheit als Regierungschefin haben.

Einer Forsa-Umfrage von Mitte Dezember zufolge hätten bei einer Direktwahl der Kanzlerin bzw. des Kanzlers sämtliche SPD-Spitzenpolitiker keine Chance gegenüber der frisch gewählten CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer. Nahles käme im Duell nur auf zwölf, Scholz immerhin auf 20 Prozent. Und selbst unter den SPD-Anhängern würden demnach nur 35 Prozent für Nahles stimmen - aber immerhin 52 Prozent für Scholz.

Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) monierte, die Kanzlerkandidatenfrage stelle sich derzeit in der Partei »nicht besonders dringlich, denn bis zur nächsten Bundestagswahl sind es noch mehr als zwei Jahre«. Auch der nordrhein-westfälische SPD-Chef Sebastian Hartmann befand gegenüber der Funke-Mediengruppe, eine solche Debatte sei »das Letzte, was die SPD vor der so wichtigen Europawahl braucht«. Ähnlich äußerte sich SPD-Bundesvize Ralf Stegner.

Zuvor hatte die SPD mit immer neuen Wendungen in der innerparteilichen Hartz-IV-Debatte potenzielle Wähler verschreckt. Zugleich tut ihr Spitzenpersonal alles, um auch künftig als Juniorpartner in Mitte-Rechts-Bündnissen eine gute Figur zu machen. So äußerte Bundesjustizministerin Katarina Barley (SPD) sich am Wochenende zwar »skeptisch« zu von der CSU verlangten Gesetzesverschärfungen, mit denen Abschiebungen Straffälliger erleichtert werden sollen. Zugleich betonte sie, bei konsequenter Anwendung des geltenden Rechts könne man deutlich mehr Menschen aus dem Land bekommen als bisher. Schließlich, sagte Barley der »Welt am Sonntag«, seien bestehende Regelungen bereits in der vergangenen Legislaturperiode »in entscheidenden Punkten verbessert und verschärft« worden.

Tatsächlich hatte die SPD mit dem Asylpaket II Anfang 2016 unter anderem das »Gesetz zur erleichterten Ausweisung von straffälligen Ausländern« und zum »Ausschluss der Flüchtlingsanerkennung bei straffälligen Asylbewerbern« abgesegnet, mit dem die Hürden bereits auf ein Minimum abgesenkt wurden. Der »Rückführung« stehen meist nur Gründe entgegen, die außerhalb Deutschlands liegen. Folgerichtig betonte Barley, das Wichtigste seien »funktionierende Rücknahmeabkommen mit den Herkunftsstaaten«.

Unterdessen forderte auch Olaf Scholz nach den mutmaßlichen Angriffen von vier Jugendlichen aus Afghanistan und Iran auf insgesamt zwölf Passanten im bayrischen Amberg im »BamS«-Interview, bestehende Regeln müssten »stets« voll zum Tragen kommen.

Außenminister Heiko Maas las derweil Moskau die Leviten. Via »Welt am Sonntag« forderte er die russische Staatsführung auf, abzurüsten und den INF-Vertrag zum Verbot bodengestützter nuklearer Mittelstreckensysteme einzuhalten. Russland habe das Abkommen »gebrochen, indem es einen verbotenen Marschflugkörper entwickelt« habe. Die USA haben wegen der neuen russischen Raketen angekündigt, aus dem Vertrag auszusteigen. Die Rolle der Vereinigten Staaten, die ihrerseits seit mehr als zehn Jahren die Vereinbarung verletzen, indem sie unter anderem vorgeblich defensive Raketenabwehrsysteme in Tschechien, Polen und Rumänien installieren, war für Maas erneut kein Thema.

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