Linksfraktion verbessert Absicherung ihrer Angestellten

LINKE im Bundestag regelt Rechte ihrer Mitarbeiter neu und entfristet Arbeitsverträge über 55-Jähriger

  • Uwe Kalbe
  • Lesedauer: 4 Min.

Die LINKE im Bundestag hat Mitarbeitern ihrer Fraktion, die Angehörige pflegen müssen, mehr Rechte eingeräumt. Gleichzeitig entfristete die Fraktion in einer tariflichen Vereinbarung mit ver.di in der vergangenen Woche die Arbeitsverträge von über 55-jährigen Mitarbeitern, was praktisch heißt, dass diese eine Beschäftigungsgarantie auch über die Wahlperiode hinaus haben - sofern es eine LINKE-Fraktion auch in der nächsten Legislatur gibt, die zur Beschäftigung der entsprechenden Mitarbeiterzahl wirtschaftlich in der Lage ist. Wenn dies nicht der Fall sein wollte, was nach Wahlen natürlich nicht ausgeschlossen werden kann, werde nach einem Sozialplan über die Mitarbeiterauswahl entschieden, erläutert Volker Schneider, Geschäftsführer der Linksfraktion im Bundestag.

Die Bundestagsfraktion ist die einzige im Parlament, die überhaupt einen Tarifvertrag für ihre Mitarbeiter abgeschlossen hat. Seit 2008 existiert dort ein Tarifvertrag mit der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di. In den übrigen Fraktionen verfährt man in Tarifdingen nach den Regelungen des Öffentlichen Dienstes. Man orientiere sich am bundesweiten Tarifvertrag, bestätigt beispielsweise die Grünen-Fraktion auf Nachfrage. Mitarbeiter finden jedoch keine Tarifgrundlage in ihrem eigenen »Betrieb«, auf die sie sich im Streitfall berufen könnten.

Doch nicht nur über das im Bundestag übliche Maß hinaus gehen die Regelungen der LINKEN. Bundesweit einmalig ist nach Auskunft von Tobias Schürmann, Tarifsekretär von ver.di, der Abschluss für Mitarbeiter, die Angehörige pflegen. Diese haben über den gesetzlichen Anspruch hinaus, der für bis zu zehn Tagen kurzzeitiger Arbeitsverhinderung eine Pflegeunterstützungsgeld vorsieht, nun Anspruch auf bis zu 15 weitere Tage, in denen sie Gehalt beziehen. Neben weiteren Entlastungen enthält die Regelung für LINKE-Fraktionsmitarbeiter auch einen um fünf Tage erhöhten Urlaubsanspruch, wenn Angehörige mindestens mit dem Pflegegrad 3 gepflegt werden.

Richtig ins Geld kann es für Betroffene gehen, wenn sie Weiterbildungsmaßnahmen besuchen müssen, um ihre Angehörigen pflegen zu können. Das betrifft etwa die Betreuung von Diabetikern oder die Prophylaxe gegen Dekubitus, also Schädigungen durch langes Liegen. Die Linksfraktion erstattet Mitarbeitern die Kosten solcher Weiterbildungsmaßnahmen und stellt sie wie für Bildungsurlaub frei. Auch wenn dies derzeit im Falle der LINKEN derzeit nur einen Mitarbeiter betrifft, bedeutet die Regelung nach Auskunft von Volker Schneider ein hohes Maß an Sicherheit für alle Mitarbeiter, weil niemand voraussehen kann, ob und wann er plötzlich in eine entsprechende Notlage gerät.

Tobias Schürmann von ver.di zeigte sich gegenüber »neues deutschland« jedenfalls erfreut über den Abschluss. Die LINKE sei nicht nur die einzige Fraktion im Bundestag mit Tarifvertrag für ihre Mitarbeiter, sondern sie sei nach seiner Kenntnis bundesweit der erste Arbeitgeber, der für Angehörige pflegende Mitarbeiter entlastende Tarifregelungen vereinbart habe, die deutlich über die Gesetzesvorschriften hinausgehen. Gerade im öffentlichen Dienst habe er als ver.di-Verhandlungsführer immer wieder mit den Belastungen gerade älterer Beschäftigter durch Pflege- und Betreuungsaufgaben zu tun. »Das tarifliche Vereinbaren eines solchen Modells ist umso wichtiger, weil Arbeitgeber immer fragen, ob es Muster oder Modelle für von Beschäftigten eingeforderte Verbesserungen gibt.«

Jan Korte, Parlamentarischer Geschäftsführer der Linksfraktion, kommentierte den Tarifabschluss mit den Worten: »Als Bundestagsfraktion fordern wir gute Arbeit und gute Löhne, deshalb gehen wir auch als Arbeitgeberin voran und versuchen dem in unseren eigenen Tarifverträgen gerecht zu werden.« Vor zwei Jahren hatte die Fraktion ein Rückkehrrecht für Mitarbeiter tariflich vereinbart, die etwa wegen Kindererziehung vorübergehend in Teilzeit beschäftigt sind - dieses Rückkehrrecht fordert die LINKE seit langem gesetzlich zu verankern. Bisher vergeblich.

Nicht erfasst vom Tarifvertrag sind auch bei der LINKEN die Angestellten, die als persönliche Mitarbeiter der Bundestagsabgeordneten tätig sind. Diese sind vertraglich direkt an ihre Abgeordneten gebunden, die einzeln als Arbeitgeber auftreten. Zum dritten Mal bereits hat sich in der Fraktion zu Beginn dieser Legislaturperiode eine Abgeordnetengemeinschaft gegründet, die nach Paragraf 3 des Betriebsverfassungsgesetzes in »Betrieben mit mehreren Unternehmen« die Bildung eines gemeinsamen Betriebsrats ermöglicht. Gemeinsam geregelt werden in der Abgeordnetengemeinschaft die Bedingungen, unter denen persönliche Mitarbeiter tätig sind - wie etwa Arbeitszeit und Arbeitsbedingungen. Personalentscheidungen bleiben Sache der einzelnen Abgeordneten.

Als einzige weitere Fraktion im Bundestag hat die SPD eine Tarifgemeinschaft gebildet, der sogar 70 Prozent ihrer Abgeordneten beigetreten sind - der Abgeordnetengemeinschaft der LINKEN gehören 52 Prozent der Parlamentarier an, wie Tobias Schürmann angibt. Das wären 36 der insgesamt 69 Abgeordneten. Die SPD-Tarifgemeinschaft basiert auf einem Tarifvertrag mit ver.di. Aber die Abgeordnetenmitarbeiter verfügen über keinen Betriebsrat, der ihre Belange vertreten würde - anders als bei der LINKEN.

Nach der jüngsten Regelung für pflegende Mitarbeiter der Linksfraktion könnte nun der Betriebsrat der Abgeordnetenmitarbeiter an die Abgeordnetengemeinschaft herantreten und eine entsprechende Betriebsvereinbarung auch für diese Mitarbeitergruppe verlangen.

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