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Kandidatur verkündet: Bernie Sanders will es erneut versuchen

Sanders: »Wir haben die politische Revolution 2016 begonnen und nun ist der Zeitpunkt gekommen, sie weiter voran zu treiben.«

  • Moritz Wichmann
  • Lesedauer: 5 Min.

Bernie Sanders will es noch einmal versuchen. Er will Präsidentschaftskandidat der Demokraten in den USA werden. »Wir haben die politische Revolution 2016 begonnen und nun ist der Zeitpunkt gekommen, sie weiter voranzutreiben«, erklärte Sanders am Dienstagmorgen gegenüber dem öffentlichen Radiosender VPR in Vermont. Er wolle, das es die Leute in seinem Heimatstaat zuerst erfahren, erklärte er.

Damit sind Monate der Spekulation zu Ende. »Ich will den Glauben an Gerechtigkeit, die Community und Graswurzelpolitik ins ganze Land tragen. Ich trete zum einen an als Präsidentschaftskandidat, weil Trump peinlich für das Land, ein pathologischer Lügner und Rassist ist und zum anderen, weil wir die Demokraten erfolgreich nach links gerückt haben und viele meiner Ideen von 2016 sehr populär sind«. Er wolle eine Million Aktivisten in seine Kandidatur einbinden, erklärte Sanders gegenüber VPR. »Nur so kann es funktionieren«. Am Dienstagmorgen hatte Sanders in einer Mail an seine mehrere Millionen Unterstützer starke E-Mailliste seine Basis um Spenden und ihr Engagement gebeten.

Sein erstes Wahlkampfvideo zelebriert Graswurzelpolitik gleich zur Eröffnung: »Echter Wandel beginnt immer von unten.« Dann folgt ein wilder Ritt durch die wichtigsten Themen der US-Linken mit einem Fokus: Sanders habe schon jetzt konkrete Verbesserungen erreicht, zum Beispiel bei seinem Einsatz für die Arbeiter von Amazon, der Abschaffung von Studiengebühren oder bei seinem Engagement gegen den Jemen-Krieg. Die Message dabei ist: Da ist noch mehr drin!

Seine Basis hatte den 77-Jährigen seit Monaten zu einer Kandidatur gedrängt. »Ich denke, Bernie ist der einzige, der Donald Trump besiegen kann«, so Aktivistin Winnie Wong gegenüber »nd«. Die Womens-March-Aktivistin und Mitbegründerin der Social-Media-Gruppe »People for Bernie« trommelt seit Monaten für Sanders. Der könne die entscheidenden Swing States Michigan und Wisconsin gewinnen und anders als zentristische Demokraten auch in republikanischen Staaten im Westen viele Stimmen gewinnen, meint Wong.

»Run Bernie, Run!« war das Motto der Kampagne von Sanders-Unterstützern wie Wong. Die Aktivisten von »Organizing for Bernie«, Sanders ehemaliger Kampagnenapparat »Our Revolution« und der Gruppe »Progressive Democrats of America« haben im Januar an zwei Wochenenden hintereinander hunderte Hausparties im ganzen Land organisiert, bei denen sich Sanders-Fans auf eine mögliche Kandidatur einstimmten und gleichzeitig dem offenbar noch zweifelnden Senator ihre Unterstützung bezeugen wollten.

Laut der letzten verfügbaren Umfrage vom August 2018 würde Sanders die Präsidentschaftswahl im direkten Vergleich mit Trump mit elf Prozentpunkten Vorsprung gewinnen. Umfragen aus dem Frühsommer 2016 zeigten einen ähnlichen Vorsprung des Senators aus Vermont. Der hatte immer wieder durchblicken lassen, er werde nur antreten, wenn er überzeugt sei, wirklich der beste Kandidat zu sein, der Trump schlagen könne.

Bereits Ende Januar hatte Yahoo-News unter Berufung auf Quellen aus dem Sanders-Lager gemeldet, dieser fühle sich durch Umfragedaten zu einem erneuten Anlauf ermutigt, die ihn als bevorzugten Kandidaten von Schwarzen und Latinos zeigen. Das war 2016 eine seiner Schwächen: Inhaltlich hatte Sanders, der sich in seiner vierzigjährigen Politik-Karriere vor allem gegen soziale Ungleichheit eingesetzt hat, zu wenig zum Thema Rassismus zu sagen, wirkte hölzern und ungelenk in seinem Umgang mit Black Lives Matter. Trotz Bemühungen der Sanders-Kampagne, der Kritik gerecht zu werden, konnte dieser 2016 die schwarze Community, die in den Vorwahlen der Demokraten eine entscheidende Rolle spielt, nicht ausreichend für sich begeistern.

43 Prozent der Stimmen der Demokraten hatte Sanders vor drei Jahren bei den Vorwahlen der Demokraten gewonnen. Er entschied 23 US-Bundestaaten für sich, vor allem im Mittleren Westen und im von Deindustrialisierung betroffenen Rustbelt. Vor allem im »black belt«, den von vielen afroamerikanischen Wählern geprägten Südstaaten-Gemeinden in South Carolina, Georgia, Alabama und Mississippi hatte hingegen Sanders Rivalin Hillary Clinton einen deutlich höheren Stimmenanteil erreicht als dieser, weil vor allem ältere schwarze Demokraten für sie stimmten. Jüngere Schwarzen stimmten dagegen mehrheitlich für Sanders.

Der umwirbt die Afroamerikaner im Land jetzt deutlich engagierter, trat am Martin-Luther-King-Day Ende Januar in South Carolina auf, besuchte schwarze Kirchen, schwarze Universitäten, marschierte Arm in Arm mit der schwarzen Community durch South Carolinas Hauptstadt Columbia – es war sein erster großer Auftritt dieses Jahr. Martin Luther King sei ein »Revolutionär« gewesen, der sich gegen Rassismus, soziale Ungleichheit und den Krieg ausgesprochen habe, so Sanders. Laut einer Umfrage von Mitte Januar sehen 59 Prozent aller Afroamerikaner Sanders positiv.

I'm Running For President

Ein Vorteil von Sanders dieses Mal ist außerdem: Fast jeder Amerikaner kennt ihn. Damit sei er »Lichtjahre entfernt« von der Situation zu Beginn seines Vorwahlkampfes 2016, als nur wenige Menschen den Senator aus Vermont kannten, so besagte Quelle aus dem Umfeld von Sanders gegenüber Yahoo News.

Doch Sanders Erfolg und die Popularität seiner Positionen sind auch ein Problem für ihn. Denn dieses Jahr muss sich Sanders gegen rund ein Dutzend Kandidaten bei den Demokraten durchsetzen. Dabei könnte ihm das Verlangen der Partei nach einem »ganz neuen Gesicht« zum Nachteil werden. Das zumindest scheint eine USA Today Umfrage von Mitte Dezember 2018 zu zeigen. Derzufolge sagten 41 Prozent, Sanders sollte nicht antreten. 36 Prozent wären demnach »begeistert« von einer Kandidatur. Die größte Begeisterung jedoch verspüren mit 56 Prozent die meisten Amerikaner, sollte »eine komplett neue Person« antreten. Sanders polarisiert offenbar, ist kein unverbrauchtes Gesicht.

Auch inhaltlich ist Sanders dieses Jahr nicht mehr alleine. Die nach links rückenden Demokraten haben viele seiner Positionen übernommen, zumindest dem Anschein nach. Eine staatliche allgemeine Gesundheitsversorgung zum Beispiel, eine zentrale Idee von Sanders, fordern auch mehrere Kandidaten der Demokraten. Elizabeth Warren aus Massachusetts etwa oder die kalifornische Senatorin und ehemalige Staatsanwältin Kamala Harris sowie der frühere Investmentbanker Cory Booker. Doch Sanders Unterstützer aus der »Run, Bernie, Run« Kampagne meinen die großen linken Ideen wie Medicare for all, Abschaffung der Studiengebühren, eine Schließung der Abschiebebehörde ICE sowie ein Ende der harschen Gefängnispolitik des Landes und eine Legalisierung von Marihuana werde es nur mit dem Original geben. Mit dem Mann, den sie liebevoll »Bernie« nennen.

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