Der Osten geht leer aus

Kritik an Standortwahl für Batterieforschungszentrum reißt nicht ab

»Diese Entscheidung ist ein Schlag ins Gesicht für die Menschen in der Region, denen ein neuer Strukturwandel bevorsteht. Anstatt die Lausitz zu entwickeln und zu einer Energieregion der Zukunft zu gestalten, fällt der Osten bei der Vergabe von Forschungseinrichtungen wieder hinten runter.« Caren Lay, stellvertretende Vorsitzende der Linksfraktion im Bundestag und Abgeordnete aus dem Landkreis Bautzen, steht für die eine Seite der Kritik an der Entscheidung der Bundesregierung, ein neues Batterieforschungszentrum im nordrhein-westfälischen Münster anzusiedeln. Die andere Seite sind die Ministerpräsidenten von Bayern, Baden-Württemberg und Niedersachsen, die sich nun gar per Brief bei Kanzlerin Angela Merkel (CDU) über die Standortwahl beschweren, die die ohnehin umstrittene Forschungsministerin Anja Karliczek (CDU) vergangenen Freitag bekanntgegeben hatte.

Zwei Seiten deshalb, weil es bei der Kritik an der Vergabe der Forschungseinrichtung durchaus Qualitätsunterschiede gibt. Während sich Markus Söder (CSU), Winfried Kretschmann (Grüne) und Stephan Weil (SPD) darüber ärgern müssen, dass ihre Kandidaten in ihren im Vergleich ohnehin prosperierenden Bundesländern nur Nebenstandorte werden sollen, geht die Kritik an der Nichtbeachtung des Ostens tiefer.

Denn hier herrscht nicht nur generell ein massiver Aufholbedarf, was die Ansiedlung von arbeitsplatzschaffenden Zukunftstechnologien angeht. Gerade der Lausitz steht mit dem Ausstieg aus der Kohle zusätzlich ein umfassender Strukturwandel bevor. Schon nach Bekanntgabe der Vergabe hatte Sachsens Wissenschaftsministerin Eva-Maria Stange (SPD) auf den offensichtlichen Widerspruch zwischen Regierungsworten und -taten in diesem Bereich hingewiesen: »Im Sinne der stärkeren Förderung der ostdeutschen Länder, wie es von der Bundesregierung im Zuge der Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse in Deutschland immer wieder zugesichert wird, wäre eine Entscheidung für Sachsen sehr nachvollziehbar gewesen«, so Stange am Freitag. Sachsen war mit Großröhrsdorf im Landkreis Bautzen als Standort für die ausgeschriebene erste Batteriezellen-Forschungsfabrik ins Rennen gegangen.

Neben dem Hauptforschungsstandort in Münster sollen laut Forschungsministerin weitere Standorte für einzelne Forschungsaspekte in Salzgitter, Ulm und Karlsruhe sowie Augsburg entstehen. Auch für den SPD-Wirtschaftspolitiker Bernd Westphal ist die Entscheidung ein »grober Fehler«, wie er in einem Brief an Karliczek mitteilt. Gerade die Menschen in den ostdeutschen Braunkohlerevieren bedürften einer besonderen Aufmerksamkeit, schrieb der wirtschaftspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion. Die Bundesregierung habe beschlossen, beim Strukturwandel in den Kohleregionen die wegfallenden wirtschaftlichen Möglichkeiten und Jobs durch den Aufbau neuer Wertschöpfungschancen zu kompensieren. Die Entscheidung zu Münster stehe dem entgegen. »Sie trägt vor allem dazu bei, die Glaubwürdigkeit von Politik zu untergraben«, kritisiert Westphal.

Dazu dürfte auch ein Umstand beitragen, den zumindest seltsam zu finden, es keinen Schelm braucht: Münster liegt neben Ibbenbüren. Ibbenbüren ist die Heimatstadt von Anja Karliczek, liegt in ihrem Wahlkreis und soll über den Bereich Recycling - der mitentscheidend war für die Wahl Münsters - von der Forschungseinrichtung profitieren. »Der Zuschlag für die Batteriezellenfabrik in den Nachbarwahlkreis der Ministerin hinterlässt einen faden Beigeschmack und schwächt das Vertrauen der Menschen in die Demokratie weiter«, findet auch Caren Lay. Die CDU habe dem Osten kurz vor den Landtagswahlen damit einmal mehr einen Bärendienst erwiesen. Mit Agenturen

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