»Von Anfang an falsch«

Bundesregierung erklärt in Antwort auf LINKE-Anfrage das Ende der Bundeswehr-Ausbildungsmission in Kamerun

  • Sebastian Bähr
  • Lesedauer: 3 Min.

»Von März 2013 bis März 2017 waren mindestens 101 Männer und Frauen an verschiedenen Militärstandorten und in Gebäuden der Geheimdienste ohne Kontakt zur Außenwelt in Haft. Dort wurden sie gefoltert und auf andere Weise misshandelt. Diese systematische Praxis setzte sich das ganze Jahr über fort.« Diese ernüchternde Bilanz zieht die Menschenrechtsorganisation Amnesty International in ihrem Jahresbericht 2017/2018 zur Lage in Kamerun. Ausführlich informieren die Experten in der Übersicht über »willkürliche Verhaftungen«, »unnötige oder unverhältnismäßige Gewalt« sowie Folter der Sicherheitskräfte.

Was die Situation brisant macht: Ungeachtet der Menschenrechtsverstöße waren Spezialkräfte der Bundeswehr im Rahmen der Militärmission »Western Lion« (Westlicher Löwe) an der Ausbildung kamerunischer Sicherheitskräfte beteiligt. Je zehn Soldaten gaben in mehreren Blöcken 50 Angehörigen der Gendarmerie ihre Erfahrungen weiter. Die Ausbildungsmission war ursprünglich als Geheimsache behandelt worden. Sie erfolgte ohne Mandat des Bundestags.

Der fragwürdige Bundeswehreinsatz hat nun jedoch ein Ende gefunden. Die Ausbildung der kamerunischen Sicherheitskräfte durch Deutschland sei in diesem Jahr »planmäßig beendet« worden, heißt es in einer Antwort auf eine Anfrage der Linksfraktion. »Zum gegenwärtigen Zeitpunkt erfolgt keine Ausbildung kamerunischer Sicherheitskräfte«, bekräftigte der parlamentarische Staatssekretär Peter Tauber (CDU) in der »nd« vorliegenden Erklärung. Er verwies darauf, dass die Bundesregierung regelmäßig in »vertraulichen Unterrichtungen« die Obleute des Verteidigungsausschusses und Auswärtigen Ausschusses über Aktivitäten der Spezialkräfte informiert.

Der Fragesteller Stefan Liebich, außenpolitischer Sprecher der Linksfraktion, reagierte zufrieden auf die Einstellung der Mission. »Es war von Anfang an falsch, in einem Bürgerkriegsland Sicherheitskräfte auszubilden, von denen selbst das Auswärtige Amt sagt, dass sie hart gegen die kamerunische Bevölkerung vorgehen«, sagte der Bundestagsabgeordnete gegenüber »nd«. »Es ist nicht zu akzeptieren, dass das Ganze vorbei am Bundestag entschieden wurde. Gut, dass damit jetzt Schluss ist.«

Kommando-Soldaten der Bundeswehr sind neben Kamerun in drei weiteren Staaten in Afrika und dem Nahen Osten an der Ausbildung von Spezialkräften beteiligt. Die Einsätze in Niger, Tunesien und Jordanien sollen laut Verteidigungsministerium die Sicherheit in den jeweiligen Ländern erhöhen - der Wehrbeauftragte und die Opposition üben jedoch harsche Kritik. Der Wehrbeauftragte Hans-Peter Bartels (SPD) machte zuletzt im Mai deutlich, dass ein Mandat des Bundestags für diese Einsätze notwendig sei. Er verwies auf das Bundestagsbeteiligungsgesetz: »Ein Einsatz bewaffneter Streitkräfte liegt vor, wenn Soldaten der Bundeswehr in bewaffnete Unternehmungen einbezogen sind oder eine Einbeziehung in eine bewaffnete Unternehmung zu erwarten ist«, heißt es dort.

Aus Sicht des Bundesverteidigungsministeriums sei jedoch ein Mandat gerade nicht notwendig, da die Bundeswehr-Angehörigen nicht in eine »bewaffnete Unternehmung« einbezogen werden würden.

Der Ausbildungseinsatz in Niger soll die umfangreichste Mission sein, die Bundeswehr hatte auf Einladung der Regierung in Niamey Kampfschwimmer entsandt. In Tunesien gibt es ein Programm, wo Spezialkräfte in der Nutzung von Diensthunden geschult werden. Die Mission in Jordanien dreht sich um Luftlandeoperationen. Die Linkspartei kritisierte, dass mit dieser Art von Missionen die parlamentarische Kontrolle des Bundestags übergangen werde.

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