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Verurteilt ohne Beweise

Der »Flüchtlingsfußballer« Bakéry Jatta soll falsche Angaben bei seiner Einreise gemacht haben - ein gefundenes Fressen für die rechte Internetmeute

Überzeugend hat der Hamburger Sportverein am Montag in Nürnberg gespielt. Die Franken gingen mit 0:4 im Spitzenspiel gegen den krisengeschüttelten Klub aus der Hansestadt regelrecht unter. Abfinden will sich der 1. FC Nürnberg mit der krachenden Niederlage jedoch nicht - und legt Berufung gegen die Wertung des Spiels ein. Ein ungewöhnlicher Vorgang - und ein ziemlich unfairer noch dazu. Denn die Clubberer hatten am Montag nicht den Hauch einer Chance, das Spiel für sich zu entscheiden. Nach der Niederlage auf dem grünen Rasen nun der Sieg am grünen Tisch? Doch was war passiert?

Es geht um den HSV-Profi Bakéry Jatta, der 2015 als Geflüchteter nach Deutschland kam und ein Jahr später bei dem norddeutschen Traditionsklub seinen ersten Vertrag unterzeichnete. Der Gambier soll laut einem Bericht der »Sportbild« falsche Angeben bei der Einreise gemacht haben. Ihm wird darin vorgeworfen, zweieinhalb Jahre älter zu sein und eigentlich Bakary Daffeh zu heißen. Grundlage des Berichts sind die Aussagen zweier Trainer, die den Offensivspieler wiedererkannt haben wollen. Schon vor seiner Ankunft habe er in der gambischen U-20-Nationalmannschaft und für Vereine in Senegal und Nigeria gespielt. Bisher sind es nur Vorwürfe, denen sich Jatta ausgesetzt sieht. Bewiesen ist davon nichts. Der Deutsche Fußballbund und die Behörden haben sich der Sache mittlerweile angenommen.

Diese Unklarheit jedoch hält die Meute im Netz nicht davon ab, lauthals »Asylbetrüger« und »Lügner« zu krakeelen. »Bakery #Jatta ist ein Betrüger und gehört wegen Asylbetrugs abgeschoben! Eine entsprechende UEFA/FIFA-Sperre sollte dazu obligatorisch sein.«, meint ein Twitter-User. Ein anderer schreibt:»Daffeh oder #Jatta ist doch total egal, solang er aufhört, wenn's dunkel ist Kinder zu produzieren.« Letzteres ist eine Anspielung auf den Aufsichtsratschef von Schalke 04, Clemens Tönnies, der Afrikanern kürzlich in Kolonialmanier vorwarf, zu viele Kinder zu bekommen.

Doch es gibt auch Zuspruch für den an den Pranger Gestellten. »Ich habe mir jetzt ein Jatta Trikot gekauft. Aus Trotz wegen dem ganzen Rassismus.« und »#teamjatta egal wie es am Ende ausgehen wird.« sind nur zwei Tweets, die sich im Kurznachrichtendienst mit dem HSV-Profi solidarisieren. Auch vom Verein gibt es Rückendeckung: »Wir haben Jattas gültigen Reisepass inklusive Aufenthaltsgenehmigung vorliegen«, teilte HSV-Vorstandschef Bernd Hoffmann mit. »Wir schätzen ihn als Spieler und Menschen.«

Auch wenn Jaffa bei seiner Einreise gemogelt haben sollte, ist er noch längst nicht der Verbrecher, zu dem er im Internet gemacht wird. Ein solches Verhalten wäre zudem nicht unbegründet. Denn minderjährige, unbegleitete Flüchtlinge stehen laut deutscher Gesetzgebung unter einem besonderen Schutz. Sie werden in der Regel nicht abgeschoben. Genau das aber droht dem Westafrikaner jetzt. Den einen oder anderen Twitternutzer würde es freuen.

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