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Schwarzer Freitag für Tönnies

Bei Europas größtem Schweineproduzenten ergeht es nicht nur Tieren, sondern auch Beschäftigten schlecht, prangern Aktivisten an.

  • Sebastian Weiermann
  • Lesedauer: 2 Min.

Die miesen Arbeitsbedingungen auf deutschen Schlachthöfen standen am Freitag im Mittelpunkt von Aktionen in fast 30 Städten. Seit einigen Jahren prangert der Kölner Verein »Aktion Arbeitsunrecht« immer dann, wenn es einen Freitag den 13. gibt, unhaltbare Zustände in der Arbeitswelt an. In der Vergangenheit ging es um die Tarifflucht der Supermarktkette »Real« oder die prekären Jobs beim Essenslieferanten »Deliveroo«. In diesem Jahr war die »Tönnies Holding« aus Rheda-Wiedenbrück Ziel.

Das Unternehmen von Clemens Tönnies und seinem Neffen Robert ist Europas größter Schweineschlachtbetrieb. 6,5 Milliarden Euro setzt es jährlich um. Alleine in Rheda-Wiedenbrück werden pro Tag 26 000 Schweine geschlachtet. Unternehmenschef Clemens Tönnies präsentiert sich der Öffentlichkeit vor allem als Aufsichtsratschef des Fußballbundesligisten Schalke 04. Für einen Skandal sorgte er zuletzt mit rassistischen Äußerungen über Afrika. Tönnies forderte die Elektrifizierung des Kontinents, damit »die Afrikaner« aufhörten im Dunkeln »Kinder zu produzieren«.

Für die »Aktion Arbeitsunrecht« war diese Aussage keine Überraschung. Wer etwas über Tönnies’ »Grundverachtung gegenüber Menschen« erfahren wolle, der müsse sich nur anschauen, wie das Unternehmen mit seinen Mitarbeitern umgeht, findet Jessica Reisner von der Initiative. Von 4000 Mitarbeitern in Rheda-Wiedenbrück hätten nur rund 500 eine Festanstellung. Der Rest werde über Leiharbeit und Werkverträge geregelt.

Auf die Ankündigung zum »Schwarzen Freitag« reagierte Tönnies mit einer einstweiligen Verfügung, die den Aktivisten bestimmte Äußerungen verbot. Einige Stellen im Protestaufruf mussten daraufhin geschwärzt werden. Aufschlussreich ist aber, was noch immer über den Großschlachter gesagt werden darf. Unbestreitbar ist demnach, dass Leiharbeiter in überteuerten Wohnungen untergebracht werden. Profite daraus ziehen Subunternehmen, die Mietkosten direkt einbehalten. In Folge von Arbeitsunfällen gibt es Sanktionen, bei Arbeitsunfähigkeit droht ein Mietaufschlag oder sogar die Kündigung. Nach dem Arbeitsplatzverlust rutschen Tönnies-Mitarbeiter, die oft aus Südosteuropa stammen, nicht selten in die Obdachlosigkeit.

»Nur eine Änderung des Systems der Werkverträge stoppt auch die Unterdrückung der Beschäftigten«, erklärt Freddy Adjan, stellvertretender Vorsitzender der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten. Er fordert ein Verbot von Werkverträgen »in den Kernarbeitsprozessen unternehmerischen Handelns«. Eine freiwillige Selbstverpflichtung der Fleischindustrie aus dem Jahr 2015 hält die Gewerkschaft für gescheitert. Nur knapp die Hälfte der Arbeiter in deutschen Schlachthöfen würden nach diesem Kodex beschäftigt.

Die Unterstützer der »Aktion Arbeitsunrecht« wollen Tönnies da treffen, wo es ihm weh tut: am Markenimage und Umsatz. Deshalb informierten sie am Freitag Kunden in Supermärkten direkt an der Fleischtheke. Demonstrationen fanden in Rheda-Wiedenbrück, Köln und Berlin statt.

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