Als hätten wir noch alle Zeit der Welt

Mit den UN-Klimaverhandlungen kann es so nicht weitergehen, findet Elena Balthesen von »Fridays for Future«

  • Elena Balthesen
  • Lesedauer: 4 Min.

Ich habe kaum Besseres erwartet, aber ich bin erschüttert. Seit ein paar Tagen bin ich auf der Weltklimakonferenz in Madrid. Natürlich wird hier nicht über konkrete Maßnahmen entschieden, hier wird eben die internationale Zusammenarbeit geregelt. Aber ich hätte nicht gedacht, wie träge und falsch das hier läuft. Schon das ganze Drumherum: Länder und Verbände feiern sich in eigenen Pavillons auf dem Gelände. Im deutschen wird das peinliche Klimapaket der Bundesregierung in höchsten Tönen gelobt. Wenn man hier auf der Konferenz essen will - Burger King ist da.

Für »Fridays for Future« (FFF) ist der Klimagipfel trotzdem bereichernd. Wo sonst treffen wir in so einer Form aufeinander? Ich treffe viele Aktivist*innen aus aller Welt, die wie ich seit einem Jahr freitags streiken. Wir knüpfen Kontakte, lernen voneinander, planen Aktionen. Das inspiriert mich sehr. Und wir bauen ein einzigartiges Netzwerk auf.

Man sieht bei uns aber im Kleinen, was im Großen schiefläuft. Das hier ist unser erstes globales Treffen, und natürlich sind wir aus dem globalen Norden total in der Überzahl. Für uns war es viel einfacher zu kommen - schon allein, weil der Gipfel durch die Verlegung von Chile nach Spanien viel näher an uns dran ist. Das gibt Konflikte. Wir versuchen natürlich, damit irgendwie umzugehen. Wir sind hier nicht repräsentativ für die Hunderttausende, also können wir auch nicht im Namen der ganzen Bewegung Entscheidungen treffen, nur als Delegation auf dem Klimagipfel. Das nach außen zu kommunizieren, ist schwer. Die Presse differenziert das nicht.

Unsere interne Entscheidungsfindung kann ein Problem außerdem nur schwer lösen: Die Aktivist*innen aus dem Norden kriegen von außen einfach mehr Aufmerksamkeit. Das mag auch daran liegen, dass mit Greta Thunberg unser bekanntestes Gesicht aus dem Norden kommt. Sie hielt in einem riesigen Plenarsaal auf der Konferenz eine Rede. Auf derselben Veranstaltung ergriff später die Aktivistin Hilda Flavia aus Uganda das Wort. Ihr wurde keine große Bühne gegeben, sie vermittelte ihre Botschaft in einer Diskussionsrunde im Anschluss an die vielen Reden. Die Wortmeldungen sollten nur kurz sein, aber sie nahm sich die Zeit einfach und wurde nicht unterbrochen. Es war bewegend, wie sie über die Folgen der Klimakrise sprach, die sie zu Hause schon massiv treffen. Wie sie ihre Ungläubigkeit darüber ausdrückte, dass hier geredet wird, als hätten wir alle Zeit der Welt.

Ich habe gemerkt, wie wichtig es ist, dass Geschichten wie die von Hilda erzählt werden. Ich saß zwischen Aktivist*innen aus aller Welt, und mir kamen die Tränen. Sie sprach uns allen aus der Seele.

Empörung herrscht übrigens nicht nur bei »Fridays for Future«. Viele NGOs und Aktivist*innen kommen Jahr für Jahr hier her. Sie beraten, warnen, protestieren - in der Hoffnung, dass die Entscheidungsträger*innen ihnen endlich zuhören. Und alle sind frustriert. Haben genug von leeren Worten.

In zwei Wochen beginnt ein neues Jahrzehnt. Es wird ein lautes. Welche Aktionsformen wir künftig nutzen, liegt nicht allein in meiner Hand. Aber wir werden immer mehr und lauter, bis die nötige Wende kommt. So wie jetzt, wo Klimakonferenzen Tagesgeschäft regeln, statt diese Krise in Angriff zu nehmen, geht es nicht weiter.

Ziemlich genau ein Jahr gibt es FFF nun, wir in München streiken seit Freitag, dem 14. Dezember 2018. Es ist ein etwas bitterer Geburtstag, denn die Frage ist: Was können wir denn noch tun, damit Entscheidungsträger*innen uns nicht mehr für unser jugendliches Engagement loben, sondern uns endlich ernst nehmen und danach handeln?

Und wir von FFF werden anders behandelt als andere Aktivist*innen, deren Aktionen hier kaum geduldet werden. Am Mittwoch haben wir mit einer unangemeldeten Aktion den Ablauf auf der Klimakonferenz gestört. Nach der Veranstaltung mit Greta Thunberg blockierten wir die Bühne des Plenarsaals. Wir hielten uns an den Händen, sangen, forderten Klimagerechtigkeit. Friedlich, aber laut. Die Security vor Ort war verwirrt. »Das war nicht der Plan, bitte geht weg«, sagte ein Mann immer wieder. Na klar war das nicht deren Plan.

So stellte es das UN-Klimasekretariat später aber nicht dar. Es postete eine Aufnahme unseres Protests in den Storys auf seinem Instagram-Account und überschrieb es mit dem Titel der ursprünglichen Veranstaltung: »Special Event on Climate Emergency«. Danke auch.

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