Ein Lob auf Augsburg, Freiburg, Paderborn

Die vermeintlichen grauen Mäuse der Fußball-Bundesliga sorgen für gute Unterhaltung, findet Christoph Ruf

Sie hat also doch tatsächlich wieder angefangen, die gute alte Bundesliga. Dass die Ligen zwei und Co. in den kommenden Wochen und Monaten erst noch nachziehen werden, dürfte den meisten Fußballfans dabei am Wochenende gar nicht aufgefallen sein, weil für sie die jeweils höchste Spielklasse eines Landes auch die einzig relevante ist.

Umso bedauerlicher ist es allerdings, dass dann auch innerhalb der Bundesliga das Interesse so ungleichmäßig verteilt ist. Ein Bayern-Spieler auf dem Cover - das wissen Medienleute zum Teil aus leidvoller Erfahrung - bringt bei Sportmedien im Kioskverkauf bis zu 20 Prozent mehr Auflage. Dortmund verkauft sich auch nicht schlecht, danach kommt erst mal lange nichts, dann Schalke und Gladbach. Und dann folgen Traditionsvereine wie der HSV, Stuttgart oder Frankfurt, was ja grundsätzlich auch erst mal erfreulich ist.

Wenn man eine Abstimmung unter den Abermillionen Menschen durchführen würde, die sich hierzulande als Fußballfans bezeichnen, wäre allerdings auch klar, welche Vereine es so rein gar nicht braucht. Zum Beispiel Paderborn, Augsburg, Mainz, Düsseldorf. Auch Freiburg würde von vielen wohl als verzichtbarer Bundesligist genannt werden, wenn der Trainer nicht einen gewissen Unterhaltungswert böte, der auch in Flensburg oder Passau verfängt.

Hertha, Wolfsburg, Leipzig oder Hoffenheim stehen auch nicht sonderlich hoch im Kurs, zum Teil allerdings aus anderen Gründen als dem der unterstellten Graumäusigkeit.

Nun sind solche Urteile natürlich per se oft ungerecht und anmaßend. Und nur selten sind die Menschen bereit, ihre Ferndiagnosen zu revidieren oder sie gar als Ansporn zur eigenen Recherche zu nehmen. Juso-Chef Kevin Kühnert behauptet, ihn habe ein negatives Urteil über Arminia Bielefeld als damals unbeliebtester Bundesligist erst zum Arminen-Sympathisanten gemacht. Er ist einfach mal hingefahren und hat gemerkt, dass die Alm eines der besten Fußballstadien der Republik ist. Auch Augsburg oder Mainz strahlen vor Ort etwas aus, das sich im Fernsehen nicht vermittelt. Könnte daran liegen, dass der Charme nichts mit ihren jeweiligen Stadien zu tun hat.

Allerdings kann man geschätzten 60 Millionen Fußballfans schon aus ökologischen Gründen nicht empfehlen, ihre jeweiligen Orte des Grauens einem Ortsbesuch zu unterziehen. Am Samstag hätte es auch genügt, sich aufmerksam die »Sportschau« anzuschauen, um festzustellen, dass der Reiz der Liga derzeit gerade darin liegt, dass die vermeintlichen Underdogs einen ziemlich flotten Ball spielen. Augsburg hat beim 3:5 gegen Dortmund zwischenzeitlich mit 2:0 und 3:1 geführt und zu einem Klasse-Spiel mindestens so viel beigetragen wie der BVB. Mainz und Freiburg lieferten sich zeitgleich ein packendes Spiel, das nur so hin- und herrollte und bei dem die unterlegene Mannschaft 22 Mal aufs Freiburger Tor schoss. Und Paderborn zeigt trotz des desillusionierenden Tabellenstandes auch in der ersten Liga den gleichen prinzipienfesten Offensivfußball, der dem Verein im vergangenen Sommer den Aufstieg beschert hat.

Spiele des von Steffen Baumgart gecoachten SC Paderborn seien hiermit jedem empfohlen, der sich des Eindrucks nicht erwehren kann, dass bei den 150 Fußballspielen, die er sich in einem Jahr so zu Gemüte führt, richtig viele dabei sind, die so stinklangweilig sind, dass er sie am nächsten Morgen schon wieder vergessen hat.

Das alles wird die meisten Leute allerdings nicht davon abhalten, sich weiter für Bayern und Dortmund zu interessieren. Und nicht für Mainz oder Augsburg. Doch das liegt nicht nur an den historischen Unterschieden zwischen den vier Vereinen und auch nicht nur an deren unterschiedlichen Erfolgsstorys. Es liegt auch daran, dass Medien meinen, ihren Lesern und Zuschauern gar nichts anderes mehr vorsetzen zu dürfen als die bis in den letzten Winkel ausgeleuchteten Big Player der Branche.

Natürlich ist es naiv zu glauben, dass »Bild am Sonntag« ihre mutmaßlich vom Germanisten-Seminar der Universität Heidelberg ausgeklügelte Überschrift »BUNDESLIGA BALLER START« mit einem anderen Foto als dem von Erling Haaland bebildern würde. Schließlich hat der riesige Dortmunder Teenager ja wirklich drei Tore in einem einzigen Spiel geschossen. Traurig ist nur, dass selbst er es nicht aufs Cover geschafft hätte, wenn er statt dreier Dortmunder die drei Augsburger Tore geschossen hätte.

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