Auskunftsrecht für Abgeordnete gestärkt

Gericht rügt Landesregierung Nordrhein-Westfalens: AfD-Fraktion hat das Recht auf Antworten auch zu Fragen, die politisch fragwürdig sind

Parlamentarische Anfragen sind für Oppositionsparteien das wichtigste Werkzeug in ihrer alltäglichen Arbeit. Mit ihnen können sie Themen setzen und aufzeigen, wo die Regierung aus ihrer Sicht nicht oder nur unzureichend handelt. Die LINKE macht es im Bundestag vor, etwa wenn es um Rüstungsexporte oder Maßnahmen gegen Armut geht. Die Grünen fragen viel und gerne nach dem Ausbau Erneuerbarer Energien und wie der Staat diese fördert. Gerade, wenn es um für die Regierungen unangenehme Themen geht oder wenn die abgefragten Bereiche sicherheitsrelevant sind, sind die Antworten auf parlamentarische Anfragen zum Leidwesen der Abgeordneten oft unzureichend. Dann heißt es gerne, eine Anfrage habe in der gesetzlich vorgegebenen Frist nicht beantwortet werden können oder man könne eine Anfrage nicht beantworten, weil man die Arbeit von Polizei, Militär oder Geheimdiensten nicht behindern dürfe.

So ähnlich ist es auch der AfD-Fraktion im nordrhein-westfälischen Landtag ergangen. Im November 2017 stellte sie eine Große Anfrage nach sogenannten »gefährlichen Orten« in Nordrhein-Westfalen und wollte wissen, welche Stadtteile, Straßen und Plätze von der Polizei im Zeitraum zwischen 2010 und 2017 als »gefährlich« eingestuft wurden. An Örtlichkeiten, die von der Polizei als »gefährlich« eingestuft werden, gibt es erweiterte Befugnisse für die Beamten. Sie können dann Personalien feststellen, ohne eine individuelle Begründung abgeben zu müssen. Der wohl bekannteste »gefährliche Ort« in Nordrhein-Westfalen war der Hambacher Forst im Zeitraum der Räumung 2018. Die AfD-Anfrage zu solchen Orten beantwortete die Landesregierung zwar auf über 400 Seiten und schlüsselte auf, welche Straftaten an solchen Orten in den verschiedenen Städten begangen wurden. Sie gab aber nicht preis, wo genau sich die 44 »gefährlichen Orte« befinden und beließ es bei vagen Auskünften wie »Aachen 1«. Zur Begründung hieß es, die »Klassifizierung der Örtlichkeiten« würde ständig überprüft. Genaue Benennungen seien nur eine »Momentaufnahme«. Einer »Stigmatisierung« von Orten wolle man entgegentreten, zumal die betreffenden Örtlichkeiten von der Bevölkerung gar nicht unbedingt als »Angsträume« wahrgenommen würden. Außerdem könnte eine genaue Benennung der Örtlichkeiten die Polizeiarbeit erschweren, Straftäter würden dadurch gewarnt und könnten möglicherweise an andere Orte ausweichen.

Der AfD reichten diese Aussagen nicht, weshalb sie vor den nordrhein-westfälischen Verfassungsgerichtshof zog. Dort bekam die Partei am Dienstag Recht. Die Gerichtspräsidentin Dr. Ricarda Brandts erklärte, dass die Landesregierung die Auskünfte nicht in »pauschaler Weise hätte verweigern dürfen«. Wenn die Funktion der Polizei gefährdet werde, sei es möglich, über einzelne Orte keine genauen Angaben zu machen. Dies hätte jedoch für jeden Ort geprüft werden müssen. Auch hätte die Möglichkeit bestanden, die AfD in »nichtöffentlicher, vertraulicher oder geheimer Form« zu informieren. Eine »Stigmatisierung« der betroffenen Orte oder eine »Beeinträchtigung des Sicherheitsgefühls der Bevölkerung« rechtfertige nicht, dass die Örtlichkeiten pauschal geheim gehalten würden.

Mit dieser gerichtlichen Entscheidung wurde das Auskunftsrecht von Parlamentariern gestärkt. Was die AfD aus den Antworten machen wird, steht auf einem anderen Blatt. Wie viele andere Anfragen der Partei zeigen, wird sie versuchen die »gefährlichen Orte« zu nutzen, um Stimmung gegen Migranten zu machen - Stadtteile mit einem hohen Migrantenanteil sind bevorzugte Angriffspunkte der AfD auch in Parlamentsdebatten.

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