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Birkenteer
Es ist das, was übrig bleibt, wenn man stark harzende Baumrinde bei großer Hitze einkocht
In meiner Stammsauna gibt es ein Ritual: Der letzte Aufguss des Abends ist oft »Birkenteer«. Daran scheiden sich jedes Mal die Geister. Auch das gehört zum Ritual. Die einen sagen, Birkenteer rieche holzig-archaisch, die anderen - also ich - sagen: Birkenteer stinkt bestialisch. Nach Waldbrand. Wer Birkenteer-Aufgüsse liebt, leckt auch gerne seinen Kamin aus und macht Wellnessurlaub im frisch abgefackelten New South Wales. »Waldbrand« ist auch nicht ganz falsch, denn Birkenteer ist das, was übrig bleibt, wenn man stark harzende Baumrinde bei großer Hitze einkocht.
Birkenteer riecht wie Santa Claus im Januar, nachdem er im Dezember alle Schornsteine der Welt runtergeschubbert ist. Einsam sitzt er in seinem Sessel, und alle Rentiere haben rote entzündete Nasen, weil er so stinkt. Birkenteer war in der Steinzeit beliebter Klebstoff, und so haftet der Geruch noch Stunden später penetrant an Haut und Haar, man dünstet die ganze Nacht weiter aus. Einmal schlug mein Rauchmelder an.
Ich frage mich: Wer ist auf die Idee gekommen, so etwas als Aufguss-Öl zu verwenden? Finnen waren’s sicher nicht. Ich war mal mit einem Finnen in der Sauna, der rannte beim Birkenteer-Aufguss raus und übergab sich. Na gut, das war gelogen. Es war beim Lavendel-Aufguss. Aber is’ so: In Finnland gießt man nur mit klarem Wasser auf. Duftöle entspannen bei ihnen nur den Hals, weil sie so sehr den Kopf schütteln. Aber wer hat irgendwann, nachdem ihm die Sauna überm Kopf abgebrannt ist, gesagt: »Boah, riecht das geil! Wenn ich die Sauna wieder aufgebaut habe, nehme ich das als Duftöl!«?
Eine Frage, die ich mir ähnlich auch bei Moschus stelle. Noch so ein archaischer, angeblich maskuliner »Duft«. Wer hatte in der Urzeit bloß den Einfall, sich mit dem Inhalt dessen, was da beim männlichen Moschustier zwischen Bauchnabel und Penis baumelt, einfach mal einzureiben? Wie kommt man auf so eine Idee? Und wie sah die komplette Versuchsreihe aus? Sprich: Womit hat sich der Arme sonst noch eingerieben, bevor es mit der Moschusdrüse klappte? »Schatz, ich hab mir gerade Moschus-Pipi aufgelegt, riech ich nicht sexy?« - »GULP! Verlass sofort diese Höhle, Kerl, und komm nicht vor dem Frühjahr wieder!« Moschus gibt’s übrigens auch als Sauna-Duftöl. Oh Gott, hoffentlich findet das meine Sauna nicht heraus.
Moschus. Birkenteer. Immer wenn Düfte den Beinamen »archaisch« tragen, sind’s vornehmlich Männer, die darauf abfahren. Ein ganzer Kerl dank Birkenteer, dem »Chappi« unter den Saunadüften. Birkenteer ist Wellness für die richtig Harten, der Tough Mudder der Entspannung. So gehört es zum Ritual, dass am späten Abend fast ausschließlich Männer auf den Bänken hocken und stöhnen und schnaufen, als wollten sie den Saunaofen zur Paarung anlocken. In diesen zehn Minuten fühlen sie sich wie Stammesälteste - alte weise Männer. Auch wenn sie in Wahrheit nur großstädtische Lauchs sind, die kaum männlicher wirken als Monty Pythons Holzfäller und eine Birke wohl nicht von einem Moschus unterscheiden könnten. Volker Surmann
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