Aufregung um Mietendeckel-Korrespondenz

Eine Internetplattform behauptet, die CDU habe juristische Expertisen im Bundesbauministerium »bestellt«

  • Martin Kröger
  • Lesedauer: 3 Min.

Seitdem die Abgeordneten der CDU im Bundestag jüngst erklärt haben, dass sie juristisch vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe gegen den Berliner Mietendeckel mit einer Klage vorgehen wollen, steht die Union im Fokus des medialen Interesses. So berichtete etwa jüngst die »Berliner Morgenpost« darüber, dass die renommierte Kanzlei Hengeler Mueller, in der auch der CDU-Bundestagsabgeordnete Jan-Marco Luczak arbeitet, den Auftrag für die Verfassungsklage ergattert habe. Doch ebenjener Abgeordnete aus Berlin hat die Unterstützung unter den Bundestagsabgeordneten für die Klage organisiert. Der CDU-Bundestagsabgeordnete Luczak selbst sieht in der Auftragsvergabe kein Problem. Man habe die Entscheidung mit der FDP getroffen, erklärte er gegenüber der »Berliner Morgenpost«.

Luczak ist unterdessen natürlich nicht der einzige Berliner Bundestagsabgeordnete, der derzeit politisch gegen den Mietendeckel aktiv ist, mit dem Rot-Rot-Grün unter anderem die Mieten für fünf Jahre einfrieren will. Ganz vorn mit dabei ist auch Kai Wegner, der CDU-Landesvorsitzende. Im Bundestag ist der Spandauer zudem Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion für Bau, Wohnen, Stadtentwicklung und Kommunen. In dieser Funktion hat sich Wegner am 21. Oktober des vergangenen Jahres mit einer E-Mail an Bundesbauminister Horst Seehofer (CSU) gewandt, um anhand des damals frisch getroffenen Beschlusses des rot-rot-grünen Koalitionsausschusses zu den Eckpunkten des Mietendeckels nachzuhaken. Wegner wollte wissen, ob der Gesetzgeber des Landes Berlin nach der grundgesetzlichen Kompetenzordnung überhaupt zuständig ist, einen solchen Deckel einzuführen. Außerdem wollte Wegner vom Bundesministerium erfahren, ob die zu dem Zeitpunkt bekannten Eckpunkte in »unzulässiger Weise in das Grundrecht auf Eigentum nach Artikel 14 des Grundgesetzes oder andere Grundrechte eingreifen würde«.

Die Internetplattform »FragDen Staat«, die im Auftrag von Bürgerinnen und Bürgern Recherchen zur Informationsfreiheit ausführt, hat den Briefwechsel zwischen Wegner und dem Bundesbauministerium nun im Internet veröffentlicht. »Kai Wegner hat ganz klar angeregt, eine juristische Einschätzung abzugeben«, sagt der Autor des Artikels »So bestellten CDU-Politiker kritische Gutachten aus dem Innenministerium«, Johannes Filter, am Mittwoch zu »nd«. Kritisch sieht der freie Autor vor allem, dass das Bundesministerium im Nachgang auf die Anfrage Wegners unter anderem mit einem 13-seitigen Gutachten reagierte. »Das sind Beamte in den Ministerien, die nicht für politische Parteien arbeiten«, gibt Filter zu Bedenken. Zudem moniert er in seinem Artikel, dass das Ergebnis der Prüfung (Mietendeckel ist verfassungswidrig) dann auch zuerst von der Berliner CDU und nicht vom Bundesinnenministerium veröffentlicht worden sei.

In der CDU hat man die Veröffentlichung der Plattform »FragDenStaat« und die Vorwürfe ebenfalls zur Kenntnis genommen. »Es steht jedem Abgeordneten zu, die Bundesministerien um fachliche Einschätzungen zu bitten. Von diesem Fragerecht mache auch ich regelmäßig Gebrauch«, sagt Kai Wegner zu »nd«. Die Anfrage sei »ergebnisoffen« gewesen, betont er. »Ich sehe keine Beeinflussung, sondern vielmehr eine Ausübung meiner parlamentarischen Rechte als Abgeordneter.« Daher seien die von »FragDenStaat« erhobenen Vorwürfe »völliger Quatsch und absolut haltlos«.

Tatsächlich ist es im Bundestag üblich, dass Abgeordnete der Großen Koalition über das Kabinettsreferat Fragen an Minister stellen. Doch auch wenn es kein Skandal ist, interessant ist der Briefwechsel mit dem Bundesbauministerium allemal. Denn zum einen wird ersichtlich, dass die CDU im Sommer 2019 offenbar mit dem Gedanken gespielt hat, dem Bundesland Berlin den Erlass eines Mietendeckels durch den Bund präventiv zu untersagen. Doch offensichtlich ist die Rechtslage derzeit so, dass auch das Bundesbauministerium der Meinung ist, dass nur das Bundesverfassungsgericht klären kann, ob Berlin die Gesetzgebungskompetenz hat.

Spannend ist zum anderen - auch das hat die Plattform »FragDenStaat« analysiert -, welche Einschätzung das Bundesministerium zur Wirksamkeit des Gesetzes abgab. Da heißt es nämlich: »Der Gesetzentwurf dürfte geeignet und erforderlich sein, den oben genannten Zweck (Begrenzung der Miethöhe der Verdrängung wirtschaftlich weniger leistungsfähiger Bevölkerungsgruppen entgegenzuwirken) zu erreichen.« Der verschwiemelten Formulierung zum Trotz, kurz gefasst heißt das: Der Mietendeckel dürfte wirken.

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