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Der Platz ist da

Berlin nimmt 100 geflüchtete Kinder aus Griechenland auf - Unterkünfte für weitere 2000 Flüchtlinge stehen bereit

  • Marie Frank
  • Lesedauer: 4 Min.

80 bis 100 schutzbedürftige Kinder aus griechischen Flüchtlingslagern wird Berlin laut Innensenator Andreas Geisel aufnehmen. Das sagte der SPD-Politiker im am Montag im RTL/n-tv-»Frühstart«. Wann die Kinder nach Berlin kommen, sei aber noch unklar. »Das hängt jetzt davon ab, wie schnell die Bundesregierung diese Entscheidung umsetzt. Ich denke, eher heute als morgen«, sagte Geisel am Dienstag. Die Kinder sollen in Jugendhilfeeinrichtungen untergebracht werden.

Der Koalitionsausschuss der Bundesregierung hatte am Montag beschlossen, 1000 bis 1500 Kinder aus griechischen Lagern nach Deutschland zu holen. »Es handelt sich dabei um Kinder, die entweder wegen einer schweren Erkrankung dringend behandlungsbedürftig oder aber unbegleitet und jünger als 14 Jahre alt sind, die meisten davon Mädchen«, heißt es in dem Beschluss.

Unabhängig davon sorgt der Senat schon vor für den Fall, dass wieder mehr Geflüchtete nach Berlin kommen. »Die Ereignisse können sich sehr schnell entwickeln, es ist wichtig, dass wir uns jetzt schon darauf vorbereiten«, sagte der Sprecher der Senatsverwaltung für Integration, Stefan Strauß, dem »nd«. Der Abbau des 2019 stillgelegten Containerdorfes für Geflüchtete auf dem Tempelhofer Feld wurde deshalb gestoppt. »Die Container wurden als Reservestandort reaktiviert. Jetzt müssen wir schauen, was wir da an Ausstattung wieder ranschaffen müssen, um sie in den nächsten Wochen wieder bewohnbar machen zu können, und wie lange das dauert«, so Strauß. Dadurch könnten rund 1000 Unterkunftsplätze geschaffen werden.

Bereits in der vergangenen Woche hatte Integrationssenatorin Elke Breitenbach (Linke) mit Blick auf die Situation an der griechisch-türkischen Grenze erklärt, dass Berlin in den bestehenden Unterkünften 2000 Flüchtlinge sofort unterbringen könnte. Laut ihrem Sprecher könnte zusätzlich noch eine weitere Unterkunft in der Buchholzer Straße in Pankow mit 400 Plätzen reaktiviert werden. »Die könnte sofort bezogen werden«, sagt Strauß. »Das Problem ist: Wir haben keinen Fahrplan, wer wann kommt und wie viele. Das liegt alles beim Bundesinnenministerium.«

Die Räumlichkeiten für neu ankommende Schutzsuchende sind also vorhanden, und auch an der Aufnahmebereitschaft mangelt es nicht. »Berlin hat sich bereits vor langer Zeit als Mitglied im Städtebündnis ›Sichere Häfen‹ verpflichtet, minderjährige Geflüchtete aufzunehmen«, bekräftigt Strauß. »Wir können aber nicht im Alleingang entscheiden, ob und wie viele Geflüchtete wir aufnehmen, sondern müssen auf die Bundesregierung warten«, so der Sprecher weiter. Angesichts der »humanitären Katastrophe« in den griechischen Flüchtlingscamps sei aber klar: »Wir können nicht ewig warten.«

Der Flüchtlingsrat Berlin fordert den rot-rot-grünen Senat auf, die Flüchtlinge auch ohne Zustimmung des Bundes aufzunehmen. »Berlin hat Platz und kann sehr viel mehr aufnehmen«, sagt Georg Classen vom Flüchtlingsrat dem »nd«. Ein im Auftrag der Grünen erstelltes Gutachten der Rechtsanwaltskanzlei Redeker, Sellner, Dahs käme ebenso wie ein Gutachten der Juristin Helene Heuser von der Universität Hamburg zu dem Schluss, dass die Bundesländer Geflüchtete auch eigenständig aufnehmen können. Demnach haben die Länder durchaus Spielraum, Maßnahmen zur Aufnahme aus humanitären Notlagen zu ergreifen.

Ähnlich sieht es das Bündnis Seebrücke. »Der vorhandene Platz muss auch ausgenutzt werden«, sagt deren Sprecher Daniel. Er plädiert dafür, nicht nur unbegleitete Minderjährige, sondern auch Kinder mit ihren Eltern aufzunehmen. Besonders Schutzbedürftige sollten zudem sofort einen humanitären Aufenthaltsstatus erhalten und nicht erst ein Asylverfahren durchlaufen, fordert der Flüchtlingsrat. Im Gegensatz zu Griechenland gebe es in Berlin genügend qualifizierte Jugendhilfeeinrichtungen für schutzbedürftige Kinder, in denen noch Platz sei. Anders als im Jahr 2015 seien in Berlin genügend freie Kapazitäten vorhanden, so Georg Classen.

An der griechisch-türkischen Grenze harren derzeit Tausende Geflüchtete aus, nachdem der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan angekündigt hatte, sie nicht mehr von der Einreise in die Europäische Union abzuhalten. Griechenland versucht jedoch mit aller Gewalt, Grenzübertritte zu verhindern. Im Internet kursieren Videos, die den Tod eines syrischen Geflüchteten durch griechische Grenzschützer dokumentieren sollen; die griechische Regierung dementiert das allerdings.

Die Nichtregierungsorganisation Mission Lifeline hat deshalb nun eine Evakuierungsmission für Kinder und Mütter aus Griechenland gestartet und sammelt Spenden, um ein Flugzeug zu chartern. Damit sollen die Schutzsuchenden von Lesbos direkt nach Berlin gebracht und anschließend auf die Kommunen verteilt werden.

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