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Unkonventionell denken
Stefan Otto über die mangelnde Unterstützung für die Ärmsten
Vielfach wurde der Bundesregierung vorgeworfen, die Coronakrise in Merkel’scher Manier lange zu beobachten und erst spät zu handeln - womit wertvolle Tage verloren gegangen seien, um das Virus einzudämmen. Der Vorwurf mag richtig sein. Aber trotzdem ist der Lockdown eine Kette von drastischen Ad-hoc-Entscheidungen, und es fehlte womöglich die Zeit, um auch Wege zu finden, wie Härtefälle dabei zu verhindern sind.
Die Kontaktsperre, so sinnvoll sie ist, wurde für Menschen erlassen, die eine Wohnung haben und sich isolieren können. Wohnungslose oder von Gewalt betroffene Frauen sind in besonderer Weise betroffen. Viele bewährte Hilfsangebote wurden stark eingeschränkt oder gestoppt.
Die am Montag angelaufene Soforthilfe des Bundes soll vor allem kleine Unternehmen vor dem Ruin bewahren, was natürlich sinnvoll ist. Aber darüber hinaus braucht es auch Hilfen für die ganz unten Stehenden. Der Appell von Christoph Butterwegge, der vor einer grassierenden Verelendung warnt, kommt gerade recht. Die Coronahilfe muss auch die Ärmsten erreichen.
Mehr Geld ist die eine Sache, rasche Unterstützung eine andere: Überall stehen Hotels leer, und es wäre ein Leichtes, Frauenhäusern oder Wohnungsloseninitiativen einzelne Räume vorübergehend zur Verfügung zu stellen. Es gibt viele unkonventionelle Möglichkeiten, um Katastrophen abzuwenden. Gerade das zeigt die Coronakrise. Aber manchmal scheint der Wille zu fehlen, Lösungen auch für die Schwächsten zu finden.
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