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Stein des Anstoßes

Ein geschichtsrevisionistisches Denkmal in einem Seniorenwohnheim in Pankow erregt die Gemüter. Nicht der einzige Fall von rechter Symbolik in der Hauptstadt

  • Marie Frank
  • Lesedauer: 6 Min.

»Den Opfern des alliierten Bombenterrors«, steht in weißen, in altdeutscher Schrift gehaltenen Lettern auf dem schwarzen Gedenkstein. Darüber ist ein Eisernes Kreuz eingemeißelt, gekrönt wird das grabartige Monument von einem überdimensionierten Stahlhelm aus Stein. Die Ästhetik ist ebenso eindeutig wie die weiteren Inschriften: »Den gefallenen Deutschen Helden beider Weltkriege«, steht auf der anderen Seite des Quaders, und weiter: »Zur Erinnerung an die deutschen Heimatvertriebenen« und »Du sollst an Deutschlands Zukunft glauben, an deines Volkes Aufersteh’n«.

Das geschichtsrevisionistische Denkmal befindet sich im Pankower Ortsteil Französisch Buchholz. Dort, in der Hauptstraße 63, liegt hinter Zäunen verborgen eine Seniorenresidenz mit dem vielsagenden Namen »Wohnpark Bismarck«. Laut einer Recherche der lokalen »Emanzipativen und Antifaschistische Gruppe« (EAG) vom Mai soll das deutschnationale »Mahnmal« bereits 2018 aufgestellt worden sein, war jedoch lange unbemerkt geblieben. Neben etlichen Bismarck-Statuen und -Büsten sollen sich auf dem Gelände der Seniorenresidenz auch die Bundesflagge mit dem Eisernen Kreuz in der Mitte und eine schwarz-weiß-rote Fahne an Fahnenmasten befinden. »Das Heim scheint sich mit seiner Namensgebung und Gestaltung speziell an rechte Senior*innen zu richten«, schlussfolgert die EAG.

Der Gründer des Wohnparks und Grundstückeigentümer Michael Schöps weist das auf nd-Anfrage von sich. »Der Wohnpark Bismarck ist politisch neutral und offen für Menschen unabhängig von Geschlecht, Abstammung, Rasse, Sprache, Heimat und Herkunft, Glauben religiöser oder politischer Anschauung«, lässt er über seine Anwältin mitteilen. Das von Schöps laut eigenen Angaben »vollständig auf eigene Kosten errichtete Mahnmal thematisiert, bewertet und relativiert nicht die Kriegsschuld Deutschlands in beiden Weltkriegen. Es betrauert und kritisiert die Folgen von Gewalt und Krieg«, heißt es.

Bei Neonazis kommt das geschichtsrevisionistische Denkmal gut an. Auf der Webseite der Neonazi-Partei »Der III. Weg« ist ein Foto davon eingestellt, darunter steht: »An verschiedenen Orten gedachten auch die Berliner Mitglieder unserer Partei ›Der III. Weg‹ der gefallenen Helden unseres Volkes.« Laut EAG fanden auf dem Gelände der Seniorenresidenz im November 2018 sowie 2019 »Heldengedenken« der Neonazipartei gemeinsam mit Bewohner*innen statt. Für die antifaschistische Gruppe kein Zufall: »Einen Schlüssel zu diesem Gelände haben nur das Personal und die Angehörigen der Bewohner*innen«, heißt es in der Recherche. Sie vermuten, dass Michael Schöps über direkte Kontakte zum »III. Weg« verfügt.

Schöps, der bis kurz nach Erscheinen der Recherche noch Inhaber der mit dem Heim kooperierenden Medi + Care Hauskrankenpflege GmbH war, äußert sich auf nd-Anfrage nicht direkt zu den Vorwürfen. Auch vom Pankower Pflegedienst Medi + Care ist keine Stellungsnahme zu bekommen. In seinem Statement stellt Schöps jedoch klar, dass er »als politisch Verfolgter und Gefangener des DDR-Regimes ein unnachgiebiger Verfechter der freiheitlich demokratischen Grundordnung« sei und »totalitäre Staatsformen sowie politischen Extremismus, von rechts wie von links« ablehne.

Dass der mittlerweile in den Ruhestand getretene Schöps tatsächlich so tolerant ist, wie er glauben machen möchte, darf angesichts früherer Äußerungen allerdings bezweifelt werden: So machte er Ende 2015 bei öffentlichen Veranstaltungen im südlich von Berlin gelegenen Schulzendorf als damaliger Vorsitzender des Schützenvereins lautstark Stimmung gegen den Bau einer Geflüchtetenunterkunft. Eine Petition zur Durchführung einer Bürgerbefragung zur Aufnahme von Geflüchteten in Schulzendorf unterschrieb er mit den Worten »Ich werde nicht tatenlos zusehen wie unser Volk vernichtet wird!!!«

Mit dieser Einstellung scheint Schöps im Bezirk nicht alleine zu sein. Laut der Vorsitzenden des Bezirksverbands der Linken, Sandra Brunner, ist insbesondere der Ortsteil Französisch Buchholz »kein einfaches Pflaster«. So habe es in der Vergangenheit mehrfach Proteste von Anwohner*innen gegen den Bau von Flüchtlingsunterkünften gegeben. Auch der zunehmenden Einfluss der AfD bereitet ihr Sorge. Die rechte Partei hatte in dem Kiez bei der EU-Wahl 2019 mit rund 20 Prozent den ersten Platz belegt. Auch im nahe gelegenen Weißensee tauchten in letzter Zeit zunehmend Neonazi-Aufkleber auf, so Brunner, die auch Mitglied der örtlichen Gruppe »Pankow Nazifrei« ist. Das wichtigste sei nun, Öffentlichkeit zu schaffen, »damit jeder weiß, in wessen Nachbarschaft er da lebt«.

Zumindest dem Bezirk Pankow sind die Vorgänge rund um die Seniorenwohnanlage bekannt. Da es sich jedoch um Privatgelände handle und auch keine bezirklichen Gelder oder Landesmittel fließen, habe man, solange keine Straftaten begangen werden, keine Einflussmöglichkeiten, sagt die zuständige Stadträtin Rona Tietje (SPD) auf nd-Anfrage. Bezirksbürgermeister Sören Benn (Linke) ist empört: »Dass eine Seniorenwohnanlage derart offensichtlich politisch missbraucht und instrumentalisiert wird, ist an sich schon geschmacklos. Das erwähnte Denkmal vermittelt ganz klar ein völkisch-nationalistisches Geschichtsverständnis«, so Benn gegenüber »nd«. Er sieht die Verantwortung bei den Sicherheitsbehörden. »Wenn hier tatsächlich ›Der III.Weg‹ Heldengedenken abfeiert, sollten sich die zuständigen Sicherheitsbehörden die Einrichtung mal näher anschauen. Es darf keine rechtsextremen Schutzräume geben, auch nicht auf Privatgelände.«

Nicht immer befinden sich solche Bauwerke mit Bezug zum Nationalsozialismus auf Privatgelände. Auch im öffentlichen Raum findet sich oft NS-Symbolik - ohne dass dagegen etwas unternommen wird. So sind auf dem Eingangstor zum Friedhof Wilmersdorf mehrere NS-Runen abgebildet, darunter die Lebensrune, die Totenrune und die Odalrune, eingebettet in deutsche Eichen mit NS-Feuerschalen. Lediglich ein Hakenkreuz scheint entfernt worden zu sein, wie ein leerer Kreis nahe legt. Aufgefallen sein will das niemand. »Wir wussten das nicht«, sagt der zuständige Bezirksstadtrat Oliver Schruoffeneger (Grüne) auf nd-Anfrage. Man prüfe nun, ob das Bauwerk denkmalgeschützt sei und aus welcher Zeit es stamme. »Klar ist aber, es gibt Handlungsbedarf.«

Den sieht auch die Linksfraktion in Charlottenburg-Wilmersdorf. Dieser waren die Runen am Eingang des Friedhofs nach eigenen Angaben ebenfalls bisher nicht bekannt, es handle sich dabei jedoch »eindeutig um Nazisymbolik«, so der Fraktionsvorsitzende Niklas Schenker zu »nd«. Die Linksfraktion werde für die kommende Bezirksverordnetenversammlung einen Antrag auf Entfernung der Nazi-Symbole stellen, so Schenker. Seine Fraktion habe sich schon an anderer Stelle dafür eingesetzt, solche »rechten Räume« beziehungsweise faschistische Symbolik im Alltag kenntlich zu machen und zu entfernen, etwa am Fehrbelliner Platz, wo sich das größte erhaltene Ensemble von Naziarchitektur in Berlin befinde. »Das gehört zur Aufarbeitung und Entnazifizierung dazu.«

Die wohl bekannteste Naziarchitektur in Berlin befindet sich jedoch nach wie vor auf dem Olympiagelände. Die gesamte Anlage - Bauten, Benennungen, Skulpturen- sind der Ideologie der Nazis entsprungen. Der ehemalige Berliner Stadtentwicklungssenator Peter Strieder (SPD) fordert daher eine Entnazifizierung des 1936 unter Hitler fertiggestellten Geländes. »Die Skulpturen, Wandgemälde, Reliefs müssen weg«, schreibt Strieder in einem Gastbeitrag für die Wochenzeitung »Die Zeit«. »Wir sollten begreifen, dass dies die ideologische Symbolik ist, auf die sich heutige Akteure wie Höcke, Gauland und Kalbitz berufen«, erklärte Strieder mit Blick auf führende AfD-Politiker. Mit Unterstützung des Denkmalschutzes werde hier »die Propaganda der Nazis fortgesetzt, und keiner der Nutzer des Geländes erhebt sich dagegen«.

Strieder fordert vom rot-rot-grünen Senat eine umfassende Neugestaltung des Areals: »Das Maifeld samt Führertribüne sollte abgeräumt und nutzbar gemacht werden für neue Sportfelder, Trainingsplätze, Spielwiesen.« Alle Namen der Gebäude und Straßen und Trainingsplätze aus der Zeit der Nazis gehörten »revidiert«. Künftig sollten sie beispielsweise nach Opfern der jüngsten rechtsterroristischen Gewalttaten benannt werden. Strieder zufolge gibt es »keinerlei gesellschaftliche Rechtfertigung für den Erhalt des Status quo«.

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