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Geschmacksterrorist

Einer war’s Nr. 262

Am besten ist immer noch die Szene, in der er Claus Peymann dabei beobachtet, wie der sich am Ku’damm in Berlin eine Hose kaufen will. Harald Schmidt machte daraus in seiner Late-Night-Show ein Dramolett mit dem Titel »Claus Peymann kauft sich keine Hose, geht aber mit essen«. Die Sendung wurde später für den Grimme-Preis nominiert. Er hat ein Talent dafür, Situationen in ihrer Absurdität zu sezieren und daraus unverschämte, entlarvende Reportagen zu machen. Seine Texte erscheinen in »FAZ«, »Stern« oder »Welt am Sonntag«. Berühmt gemacht hat ihn allerdings sein erster Roman. Das Feuilleton denkt sich extra für ihn und seine jungen Schriftstellerkollegen (alles Männer) eine neue Genrebezeichnung aus, die er fortan nicht mehr loswird.

Das Echo auf den 1998 veröffentlichten Erstling ist immens. »Der Meinungsmissionar«, schreibt der »Spiegel« über ihn und das Buch. Wie seine ganze literarische Karriere basiert auch dieses Werk auf dem System, Markennamen, Bands, das Gut- oder Schlechtfinden bestimmter Berühmtheiten als Charaktereigenschaft herauszustellen, um sich so vom banalen Rest abzugrenzen. Wer die Band »Faith No More« mag, ist ein »langhaariger Volldepp«, Jörg-Fauser-Gedichte muss man gut, Hippies und Ökos hingegen scheiße finden. Einen Geschmacksterroristen muss man ihn wohl nennen.

Aufgewachsen ist er als jüngstes von vier Kindern einer Pastorenfamilie Ende der 1970er Jahre in einem Kaff zwischen Bremen und Hamburg. Seine Familie, ausgerechnet besagte Ökos und Hippies, die nach »Gemüserülps« riechen und permanent »voll faschomäßig« sagen. Seine Mutter zwingt ihn dazu, Geige zu lernen, was grandios scheitert. Er selbst hätte gerne Schlagzeug gespielt, landet auf Anraten seiner Mutter aber irgendwann bei der C-Blockflöte. Nach dem Abitur in Göttingen geht er nach Hamburg, um dort diverse Praktika, unter anderem bei der »taz« und beim NDR, zu absolvieren. 1995 wird er fester Redakteur beim deutschen Ableger des »Rolling Stone« und Ende der 1990er Gagschreiber für die »Harald-Schmidt-Show«. Seinen Mentor nennt er Jahre später in einem Interview »herzlos«.

Der Erfolg seines Debütromans und die darauf folgende enorme Aufmerksamkeit bringen ihre Schattenseiten mit sich. Das zweite und das dritte Buch erscheinen noch im selben Jahr (1999). Anfang der 2000er manifestiert sich bei ihm eine Essstörung, es folgen harte Alkohol- und Drogenprobleme. 2004 dreht die Fotografin und Filmemacherin Herlinde Koelbl eine bemerkenswerte Dokumentation über ihn. Sie darf live bei seinem Verfall und absoluten Absturz dabei sein. 2016 schreibt er, endlich nüchtern und clean, einen lange erwarteten Roman über diese Zeit, aus dem Buch wird später ein Theaterstück. Heute lebt er in Berlin, war mal verheiratet und ist Vater eines Sohnes. Wer ist’s?

Rätselantworten per Post an: neues deutschland, Steckbrief, Franz-Mehring-Platz 1, 10243 Berlin oder per E-Mail an: steckbrief@nd-online.de

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