Tomaten im Schatten

Eine Geschichte voller Missverständnisse: Die ungedüngte Filmkomödie »Datsche«.

  • Stefan Gärtner
  • Lesedauer: 4 Min.

Treffen sich ein US-Amerikaner, ein Argentinier, ein Bayer, eine (evtl. falsche) Griechin und ein Äthiopier in einer Datsche bei Potsdam. Sagt der Rezensent: Langweilig!

Das ist nun leider weder witzig, noch ist es eine Rezension; oder vielleicht ist es beides, aber fangen wir trotzdem noch einmal an: Treffen sich ein US-Amerikaner, ein Argentinier, ein Bayer, eine (evtl. falsche) Griechin und ein Äthiopier in einer Datsche bei Potsdam. Der junge New Yorker Valentine hat sie von seinem deutschen Opa geerbt und tritt also jetzt sein in jeder Beziehung deutsches Erbe an. Auf dem Dachboden hält sich Adam versteckt, ein geduldeter Asylbewerber, der Angst vor der Abschiebung hat. Im Waschsalon trifft Valentine den Argentinier Zorro, der Drogen vertickt und im Internet noch den Bayern Stefan und Marie aufgabelt, die sagt, sie sei Griechin, und nur englisch spricht, im geheimen aber hochdeutsche Telefonate führt. Da eine deutsche Kleingartenkolonie Regeln hat, kommt es zu kleineren Missverständnissen, zumal da der Nazi Gregor dort herumspukt. Aber auch er kann gegen den schönen Sommer, den die fünf haben, nichts ausrichten.

Es ist dies ein Festivalfilm. Das heißt: Auf Architektur wird verzichtet, und dagegen ist nichts einzuwenden, aber das muss man können, andernfalls ein Film nur aus der Addition von Momenten besteht, und es ist eins dieser Missverständnisse zu glauben, jeder noch so banale Moment sei ein magischer, wenn man ihn bloß als Moment respektiere und wirken lasse. Dieses Missverständnis ist eng mit dem nächsten Missverständnis verwandt, eine lose Inszenierung oder ein nachlässiges Drehbuch mache einen Film wie von selbst »authentisch«. Das ist, als Pauschale, so falsch, wie dass lässige Kleidung jemanden lässig mache. Lässige Kleidung wirkt nämlich sehr häufig nicht lässig, sondern so, als wisse wer nicht, sich anzuziehen.

Also verbringen fünf junge Leute aus aller Damen und Herren Länder einen Sommer miteinander, und dass im Grunde nichts passiert (als wäre das unter gleichaltrigen Klassengeschwistern eine Überraschung), will der Film natürlich mitteilen. Es ist zwar falsch zu glauben, Kunst sei, wenn etwas passiere; umgekehrt ist es aber nicht automatisch Kunst, wenn nichts passiert, auch wenn das als progressiver Gedanke gilt. Die britische Regisseurin Lara Hewitt erfüllt, wiewohl sie’s wohl nicht ahnt, genauso stur eine Publikumserwartung, wie es ein Fließbandfilmregisseur tut, bloß dass ihr Publikum ein anderes ist. Ein drittes, mit den bereits angeführten Missverständnissen wiederum verwandtes Missverständnis ist, dass sich Lücken in Buch und Regie am besten mit Skurrilitäten füllen ließen: Im Gegenteil machen Skurrilitäten auf diese Lücken mit Macht aufmerksam und sind im übrigen Kitsch, indem sie für so etwas Mausetotes wie »Spontaneität« und »Echtheit« einstehen, beides übrigens Lieblingswörter jener Partei, in dessen Tradition der Filmnazi sich bewegt. Dass der schlimm chargierende, eine satirische Billigstallegorie aufs lächerlich-liebenswerte Deutsche vorstellende Bayer von einem ausgebildeten Theaterschauspieler gegeben wird, ist dann eine besonders gähnende Ironie, aber vielleicht können auch Profis gegen unsinnige Drehbücher nichts ausrichten, sowenig wie eine Filmmusik, die jederzeit so gefällig ist, wie es doch Independent gar nicht sein will.

Gegen Ende hat Valentine gelernt, dass es in Deutschland eigentlich keine Nazis gibt, sondern bloß nette ältere Leute, die über eine missachtete Kleingartenregel auch mal hinwegsehn. Die britische Autorin und Regisseurin Lara Hewitt, die laut Wikipedia lange im gezeigten Schrebergarten gelebt hat, würde also vermutlich das unterschreiben, was die Zeitgeist-Schriftstellerin Ariadne von Schirach (falls sich an die noch wer erinnert) einmal behauptet hat (laut Matthias Matussek, falls sich an den noch wer erinnert): Nazis gebe es doch gar nicht, sie persönlich kenne nämlich keine. Der intellektuelle Schrebergarten, so sieht er aus.

Bleibt Adam, dessen Sohn in der Wüste verdurstet ist - ein in seinem stumpfen Kalkül geradezu obszöner Drehbuchkniff, den Hewitt immerhin so lose wegfilmt, dass man es mit Takt verwechseln mag. Adams Abgang jedenfalls ist rührend genug, dass man sich über den vertanen Film doppelt ärgert; falls »vertan« das richtige Wort ist und die Idee nicht schon so verkehrt war wie, sagen wir, Tomaten in den Schatten zu pflanzen.

»Datsche«, Großbritannien 2018. Regie: Lara Hewitt. Darsteller: Zack Segel, Kunle Kuforiji, Marie Céline Yildirim, Luis Lüps, Juan Carlos Lo Sasso, Christian Harting. 93 Min.

Seit vergangenem Freitag als Video On Demand oder auf Amazon zu sehen.

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