Dreist, dreister, Gabriel

Jana Frielinghaus über die jüngste und vielleicht fatalste Instinktlosigkeit des Vizekanzlers a. D.

Seit geraumer Zeit betätigt sich Ex-Vizekanzler Sigmar Gabriel als Verfasser von Zeitungsessays. Darin erklärt er seiner Partei gern, ihr gehe es vor allem deshalb so schlecht, weil sie die Wirtschaft (also die Großkonzerne) vergraule, statt ihre Steuerlast zu senken. In seinem Universum ist kein Raum für den Gedanken, dass im Zweifel neoliberale Charaktermimen wie er selbst, aber auch Leute vom Schlage eines Gerhard Schröder oder Wolfgang Clement die Totengräber der deutschen Sozialdemokratie sind.

Schlimmer ist: Der jetzt als zeitweiliger Berater des Fleischmoguls Clemens Tönnies enttarnte ehemalige Bundesminister verhöhnt all jene Menschen, die unter gesundheitsgefährdenden Bedingungen in den Schlachtfabriken des Milliardärs und anderer Ausbeuter schuften und alle, die sich für Dumpinglöhne krumm machen müssen. Und obendrein jene, die seit langem für die Abschaffung des Werkvertragsunwesens kämpfen, das Gabriel noch vor wenigen Jahren als »Schande für Deutschland« bezeichnet hat. Es scheint, als tappe der SPD-Mann unbewusst in jeden Fettnapf, wenn er etwa in Reaktion auf Kritik an seinem Tönnies-Job nicht erkennen kann, was daran anrüchig ist. Oder wenn er meint, sein Honorar erscheine »normalen« Leuten vielleicht hoch, sei aber im Branchenvergleich bescheiden. Doch Gabriel ist kein Idiot. Bleibt also nur eine Schlussfolgerung: Der ist so schamlos und stolz darauf. Er ist der Prototyp des Absahners und Netzwerkers im Bäumchen-wechsle-dich-Zirkus zwischen Politik und Wirtschaft. In der einstigen Arbeiterpartei SPD ist dieser Typus alles andere als eine Ausnahme.

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