Akelius nennt es Hörensagen

Wohnkonzern sieht sich nicht als Verletzer von Menschenrechten

  • Nicolas Šustr
  • Lesedauer: 4 Min.
Akelius: Akelius nennt es Hörensagen

Seit eineinhalb Jahren stöhnen die Akelius-Mieter in der Anton-Saefkow-Siedlung in Prenzlauer Berg unter einer nicht enden wollenden Baustelle. Es sind nicht nur Lärm und Dreck, die die Mieter plagen. Sie klagen über »häufige Wassereinbrüche aufgrund des mangelhaften Wetterschutzes der obersten Etagen unter dem abgebauten Dach« und – daraus resultierend – über »massiven Schimmelbefall und Gefahr durch nass werdende Elektroinstallationen«. Außer der Verteilung von Trocknungsgeräten habe der Konzern nichts unternommen. Vor allem werfen die Bewohner Akelius allerdings mangelhafte Kommunikation vor. Erst bei einer Begehung Anfang Juli kam heraus, dass die Bauarbeiten bereits sieben Monate im Verzug sind.

Die Begehung war die Folge einer Resolution, die die Bezirksverordnetenversammlung Pankow bereits im März beschlossen hatte. Dort wurde sogar von »lebensgefährdenden Situationen durch unbeabsichtigte Deckendurchbrüche oder unvermittelt herabfallender Verputzung« berichtet.

Es sind unter anderem solche Umstände, an denen die UN-Sonderberichterstatterin für das Menschenrecht auf Wohnen, Leilani Farha, den systematischen Verstoß des von dem schwedischen Milliardär Roger Akelius gegründeten Konzerns festmacht. Weltweit hält er 44 000 Wohnungen – allein ein Drittel davon in Berlin. »Die Mieter haben den Eindruck, dass Akelius nicht einfach wartet, dass sie ausziehen, sondern sie versucht herauszudrängen, ohne den Rechtsweg der Räumung beschreiten zu müssen«, schreibt Farha, deren Amtszeit turnusgemäß im April 2020 endete. Akelius’ Mittel: Dauerbaustellen und drohende Mieterhöhungen.

»Wir waren selbst sehr überrascht, als wir den Bericht gelesen hatten. Aus unserer Sicht sind das recht allgemeine Behauptungen, die auf Hörensagen basieren«, erklärt Max Heldt, Regionalmanager von Akelius für die Berliner Innenstadtbezirke, im Gespräch mit »nd«. Und setzt noch einen drauf: »Wir sind ein großer Fan von Fakten.«

Diese Reaktion treibt einer Vertreterin der Berliner Vernetzung von Akelius-Mieter*innen den Puls hoch. »Der Fall Anton-Saefkow-Kiez zeigt, dass Akelius selbst bei der detaillierten Beschreibung ganz konkreter Probleme häufig behauptet, diese Probleme gäbe es nicht«, sagt sie zu »nd«. »Entweder ist das gelogen – oder Herr Heldt hat keine Ahnung, was auf seinen Baustellen in Berlin los ist. Beides ist für jemanden in einer Leitungsposition, der auch für die Mieter*innen verantwortlich ist, ein fatales Zeichen«, konstatiert sie.

»In den Berichten geht es immer um Baustellen. Wir erwerben weltweit Gebäude mit großem Instandhaltungsrückstau. Unsere Herangehensweise ist, dass wir einmal ins Objekt gehen und alles in Ordnung bringen. Dass das mit Lärm, Staub und Dreck einhergeht, ist eben so«, sagt Max Heldt ungerührt. Um dann einen der Leitsprüche des Unternehmens auf englisch zu zitieren: »We never force anyone out.« – »Wir verdrängen niemals jemanden.«
Nun, dem stehen allerdings einige Fakten entgegen. Zum Beispiel, dass Akelius in Lichtenberg allein im Jahr 2019 zehn Zwangsvollstreckungen für die Räumung von Wohnungen angekündigt hat, wie aus der Antwort des Bezirksamts auf eine von den Grünen eingereichte Kleine Anfrage hervorgeht. In den neun Jahren davor waren es zusammen 21 angekündigte Zwangsvollstreckungen. Ob sie auch vollzogen wurden, weiß das Bezirksamt Lichtenberg nicht.

»Wir beschränken uns selbst bei der Modernisierungsumlage. Wir treffen auch individuelle Vereinbarungen. Wir müssen dafür aber wissen, dass sie es nicht leisten können. Ansonsten können wir nichts machen«, erklärt der Akelius-Manager.

»Wir wissen aus Gesprächen mit Mieter*innen, dass diese extrem teuren Mieten oft nur aus Verzweiflung gezahlt werden, weil eine bezahlbare Wohnung nicht zu finden war«, heißt es von der Mieter*innenvernetzung. Laut einem Bericht des »Tagesspiegel«, der auf einer Auswertung des Rechtsdienstleisters wenigermiete.de beruht, verlangte Akelius in 220 betrachteten strittigen Fällen durchschnittlich 16,39 Euro Nettokaltmiete – durchschnittlich 91 Prozent über der zugrunde gelegten Miete laut Mietpreisbremse.

Die Vertreterin der Mieter nennt die Reaktion des Konzerns auf das Schreiben der UN-Sonderberichterstatterin insgesamt »sehr irritierend«. Leilani Farha, eine »ausgewiesene Menschenrechtsexpertin«, fordere von Akelius, dass eine Stelle eingerichtet wird, die die Einhaltung der Menschenrechte prüft. Offenbar fehle es im Konzern an Expertise dafür. »Anstatt den Kopf in den Sand zu stecken, sollte Akelius endlich Stellung beziehen, die festgestellte Missachtung der Menschenrechte auch intern mit der Hilfe von Expert*innen genau untersuchen und dann entsprechende Maßnahmen einleiten«, so die Akelius-Mieter*innenvernetzung. Für die Aktivistin ist klar: »Eine Vergesellschaftung des Berliner Bestands von Akelius erscheint angesichts der Fakten geboten und ist eigentlich unvermeidlich.«

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