Alltag im historischen Einbruch

Der Rückgang der Wirtschaftsleistung und die Folgen für Beschäftigte.

Weniger Flüge, weniger Autoverkäufe, weniger Hotelübernachtungen - und weniger Geld für Erwerbstätige: Die Pandemie hat zu einem starken Rückgang der Wirtschaftsleitung in Industrieländern geführt. In Deutschland schrumpfte das Bruttoinlandsprodukt (BIP) vom ersten aufs zweite Quartal um zehn Prozent und damit so stark wie noch nie in der Nachkriegszeit. In den USA war der Rückgang ähnlich stark, in Spanien sank die Wirtschaftsleistung sogar um mehr als 18 Prozent.

Für Millionen Beschäftigte bedeutet dies, dass sie weniger oder gar keine Erwerbseinkünfte mehr haben, sie zahlen bereits für die Krise. In den USA ist die Arbeitslosigkeit auf elf Prozent gestiegen, in Spanien auf mehr als 15 Prozent.

Über die Krisenfolgen für Beschäftige in Deutschland geben Daten der Bundesagentur für Arbeit von dieser Woche erste Hinweise:

Jeder fünfte sozialversicherungspflichtig Beschäftigte war im Mai in Kurzarbeit, und damit fast fünfmal so viele Erwerbstätige wie mitten in der Finanz- und Wirtschaftskrise 2009, der auch schon historische Ausmaße attestiert wurden. Diese 6,7 Millionen Kurzarbeitenden erhalten öffentliche Mittel, damit die Unternehmen sie nicht entlassen. Einkommenseinbußen haben sie dennoch. Das kann gerade Geringverdienende, etwa im Gastgewerbe, in finanzielle Schwierigkeiten bringen.

Erwerbslos geworden sind insbesondere Beschäftigte, die vergleichsweise wenig geschützt sind. So gab es im Mai 516 000 weniger Minijobs als ein Jahr zuvor. Leiharbeitsstellen sind um 124 000 zurückgegangen, die Zahl der Selbstständigen um 140 000. Insgesamt stieg die Arbeitslosenquote im Jahresvergleich von fünf auf 6,3 Prozent.

Menschen ohne deutschen Pass verrichten besonders häufig gering entlohnte Arbeit, nicht nur in der Landwirtschaft. Das mittlere Gehalt von vollzeitbeschäftigten Ausländern lag zuletzt mit 2600 Euro brutto im Monat rund 900 Euro unter dem Gehalt von Deutschen. Überdies sind ihre Jobs unsicherer, 15,5 Prozent aller Ausländer waren im Juli arbeitslos gemeldet, unter Deutschen waren es 5,1 Prozent.

Arbeitslosengeld haben im Juli rund eine Million Menschen erhalten, im Durchschnitt hatten sie Anspruch auf 1015 Euro im Monat.

Auf Hartz IV, das lediglich das Existenzminimum absichern soll, waren schon vor der Krise viele Menschen angewiesen, zuletzt stieg ihre Zahl auf rund 5,7 Millionen Menschen, darunter sind viele Kinder. Auch unter den Erwachsenen gilt nur eine Minderheit offiziell als arbeitslos. Viele sind erwerbstätig und zusätzlich auf öffentliche Mittel angewiesen. Andere betreuen kleine Kinder, pflegen Angehörige oder sind selbst krank und können darum keine bezahlte Arbeit ausüben.

Viele Arbeitslosengeld-II-Beziehende haben eigene Einkünfte, und sind dennoch auf sozialstaatliche Mittel angewiesen, um ihre Existenz zu sichern. Laut Bundesagentur für Arbeit hatten Paare mit drei oder mehr Kindern im Schnitt eigene Einkünfte in Höhe von rund 1220 Euro im Monat, dazu gehören Löhne und Kindergeld. Weil davon fünf oder mehr Menschen nicht leben können, erhielten sie von den Jobcentern im Schnitt zusätzlich 1640 Euro. Singles hatten im Schnitt Anspruch auf 680 Euro im Monat und eigene Einkünfte von rund 150 Euro.

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