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Unheilvolle Allianz
Stefan Otto über die politische Sprengkraft der rechtsoffenen Hygienedemonstrationen
Auch wenn der Organisator Michael Ballweg bekundet, die sogenannte Querdenken-Bewegung ließe sich weder von Links noch von Rechts vereinnahmen, so waren doch die Berliner Demonstrationen am Wochenende wieder einmal rechtsoffen. Das war unübersehbar. Geradezu einvernehmlich protestierten Coronaleugner und Neonazis. Tatsächlich haben beide Lager Schnittmengen: Gemeinsam lehnen sie sowohl die Coronaregeln als auch die Merkel-Regierung und - das ist neu - die Verfassung ab. Bislang hatten viele Corona-Maßnahmengegner noch immer aufs Grundgesetz gepocht. Jetzt rief Ballweg dazu auf, eine neue Verfassung zu schaffen, um die Demokratie zu vollenden. Das Ziel, nach dem er greift, ist natürlich illusorisch. Ebenso wie die Aussage, dass sich Millionen Menschen auf ihren Demonstrationen tummeln, Unsinn ist.
Trotzdem verbirgt sich hinter der Bewegung politischer Sprengstoff. Denn der Zuspruch der Hygienegegner wächst. Noch nie kamen so viele Menschen zu ihren Demonstrationen wie am Wochenende. Treibende Aktivisten dabei waren radikale Rechte aller Facetten. Sie benutzen die Öffentlichkeit für ihre Zwecke und werden von den Hygienegegnern willig als Einpeitscher benutzt. Mit jedem Mal, an dem diese beiden Lager zusammenkommen, ist ein weiteres Annähern zu befürchten.
Rechtsextreme wie Corona-Maßnahmegegner mögen zwar gesellschaftlich gleichermaßen isoliert sein. Dennoch zeugen ihre Proteste davon, dass die Skepsis gegenüber den Coronaregeln größer wird. Aber nur mit Verordnungen und Bußgeldern lässt sich das Virus nicht bekämpfen, es braucht dafür weiterhin die Akzeptanz in der Bevölkerung. Die aber wollen Coronaleugner und Neonazis nach Kräften zerstören. Das macht ihr Wirken so gefährlich.
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