Pantanal in Flammen

Klimawandel und Brasiliens Agrobusiness bedrohen das weltgrößte Binnenland-Feuchtgebiet

  • Norbert Suchanek, Rio de Janeiro
  • Lesedauer: 4 Min.

In diesem Jahr brennt es so heftig wie noch nie im Pantanal in Westbrasilien. Das Flammenmeer hat bereits mehrere Tausend Quadratkilometer des weltgrößten Binnenland-Feuchtgebiets verschlungen. Feuerwehr und Streitkräfte kämpfen bislang vergeblich gegen die Feuersbrunst. Dem Gebiet mit dem Status eines Unesco-Weltnaturerbes, was eigentlich einen besonderen Schutz verlangt, droht die schlimmste Umwelttragödie seiner Geschichte.

Vom 1. Januar bis 31. August dieses Jahres zählte das für die Umweltüberwachung per Satellit in Brasilien zuständige Weltraumforschungsinstitut INPE 10 316 Brandherde im Pantanal, mehr als dreimal so viele wie im Vorjahreszeitraum. Seit Beginn der Satellitenüberwachung 1998 hat INPE in dieser Region während der ersten acht Monate eines Jahres noch nie derart viele Brände registriert. Schon bis Ende April verschlangen die Flammen dabei eine Fläche von 3686 Quadratkilometern, was mehr als der vierfachen Größe Berlins entspricht.

Experten gehen davon aus, dass wie in den Vorjahren die meisten Brände vorsätzlich gelegt wurden, um Platz für Rinderweiden und Sojabohnen-Plantagen zu schaffen. »Wer das Pantanal in Brand setzt, ist der Mensch«, sagt André Luiz Siqueira von der lokalen Umweltschutzorganisation Ecoa. »Natürliche Feuer entstehen durch Blitze, die immer mit der Regenzeit verbunden sind. Da es aber im Pantanal nicht geregnet hat, ist klar, dass der Mensch die Hauptursache ist«, erläutert der Biologe.

Dabei gehen Abholzung und Brandrodung Hand in Hand. Erst vergangenen April erlaubte ein Gericht im Bundesstaat Mato Grosso do Sul dem Agrarunternehmen Majora Participações die Abholzung von 42 500 Hektar im südlichen Pantanal. Doch das Ausmaß der diesjährigen Feuersbrunst deutet auf eine weitere Ursache hin: die möglicherweise bleibende Klimaveränderung. Das von Regenfällen und periodischen Überschwemmungen seiner Zuflüsse aus dem zentralbrasilianischen Hochplateau abhängige Feuchtgebiet erlebt derzeit eine der schlimmsten Trockenzeiten. Laut dem brasilianischen Agrarforschungsinstitut Embrapa gab es in der für das Pantanalbecken wichtigen Regenperiode von Oktober bis März 40 Prozent weniger Niederschlag als im Durchschnitt der Vorjahre.

Zudem führt der Hauptzufluss, der Rio Paraguay, in diesem Jahr so wenig Wasser wie seit fast fünf Jahrzehnten nicht. In der Gemeinde Ladário in Mato Grosso do Sul, wo die Wasserstände seit 120 Jahren gemessen werden, betrug sein Pegel im Juni lediglich 2,1 Meter - dies waren 3,5 Meter weniger als im langjährigen Durchschnitt und der niedrigste gemessene Wert seit 47 Jahren. Eine Studie der Staatlichen Universität von Mato Grosso zeigt zudem, dass das Wasservolumen des Rio Paraguay Jahr für Jahr abnimmt. Für den Forschungsleiter Ernandes Oliveira Júnior ist dies eindeutig eine Folge des Klimawandels. Marcos Rosa, Geograf beim Forschernetzwerk MapBiomas, befürchtet, dass »dies eine neue Normalität ist als Folge der vom Menschen verursachten Klimaveränderung, die den Kreislauf von Regen, Dürre und natürlichen Überschwemmungen im Pantanal verändert hat«.

Bereits im Jahr 2015 warnte sein Kollege Aguinaldo Silva von der Universität von Mato Grosso do Sul in Corumbá vor den möglicherweise katastrophalen Folgen des Klimawandels für das Pantanal. Seit dem Jahr 2000 untersucht sein internationales Forscherteam die Umweltveränderungen in dem wichtigen Feuchtgebiet. »Wir können mit einiger Sicherheit sagen, dass sich das globale Klima ändert und die Temperaturen wärmer werden«, erklärte Silva. »Dies kann dramatische Folgen für den Wasserkreislauf des Pantanal haben und die jährlichen Hochwasser des Rio Paraguay verändern. Es kann zu langen Dürreperioden kommen, die sich negativ auf Flora und Fauna auswirken.«

Indessen kommt die größte Bedrohung des Feuchtgebiets seiner Meinung nach vom Hochplateau und den dort stattfindenden Veränderungen des Wasserhaushalts durch Abholzung des Cerrado (Savannengebiet im Südosten Brasiliens) und Ausbreitung der Soja-Monokulturen. »Die Flüsse, die in das Pantanal münden, werden im Cerrado geboren«, erläutert der Geograf Marcos Reis Rosa. Durch die Abholzung verliere der Boden seinen Schutz, was die Flüsse flacher werden und verschlammen lasse. Wasserkraftwerke und Staudämme verschlimmerten die Situation weiter. 2017 gab es laut offiziellen Zahlen 41 Wasserkraftwerke an den Zuflüssen des Pantanal, und mehr als 100 weitere sind aktuell in Planung.

Eine weitere Ursache des Wassermangels im Pantanal ist die Vernichtung des Amazonas-Regenwaldes. Mit der Beschleunigung der Entwaldung dort veränderten sich die Regenzeiten in Brasilien, erläutert Vinícius Silgueiro von der Nichtregierungsorganisation Instituto Centro de Vida. »Der Amazonas haucht praktisch allen Ökosystemen des Kontinents das Leben ein.« Doch die zunehmende Abholzung beeinträchtige den »Wassertransport«. Auch deshalb erlebe das Pantanal derzeit seine größte Umwelttragödie seit Jahrzehnten.

Die Forscher sind sich einig: Wird den Bedrohungen nicht Einhalt geboten, steht dem an Arten extrem reichen, rund 150 000 Quadratkilometer großen Feuchtgebiet, Heimat von Jaguaren, Kaimanen und Hunderten anderer Tierarten, der Kollaps bevor - und das in nicht allzu ferner Zukunft.

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