- Politik
- CO2-Zertifikate
Klimaablasszahler
FDP-Politiker Marco Buschmann lebt ab jetzt angeblich »klimaneutral«
Im Spätmittelalter verklingelte die Kirche Ablassbriefe, wodurch Menschen, die nach katholischer Glaubenslehre eine Sünde begingen, sich von ihrer Schuld freikaufen konnten. Wohlhabende Christen mussten also weder ihre Lebensweise noch das System Kirche ernsthaft hinterfragen – offiziell waren sie schließlich fromme Schafe. Reichtum machte es möglich, einfach weiterzumachen wie bisher.
Das Grundprinzip des Ablassbriefes hat sich bis ins Jahr 2020 gerettet. Wie eine Sprecherin des FDP-Politikers Marco Buschmann laut dpa erklärte, ist der Parlamentarische Geschäftsführer der liberalen Fraktion im Bundestag seit Dienstag »klimaneutral«. Für diesen Schritt musste der 43-Jährige lediglich sein Portemonnaie öffnen und CO2-Zertifikate im Wert von wenigen hundert Euro erwerben. Damit spart er persönlich zwar kein einziges Gramm klimaschädliche Emissionen ein, aber das war ohnehin nicht sein Ziel: »Wirksamer Klimaschutz wird nur gelingen, wenn wir Wege gehen, die ohne Verzicht und Verbote funktionieren.« Die Aktion wirkt in erster Linie wie ein PR-Gag, um den Europäischen Zertifikatehandel zu bewerben, denn Wettbewerb sei »der beste Klimaschützer«, behauptet Buschmann.
Am CO2-Zertifikatehandel gibt es allerdings schon lange Kritik, besonders am viel zu niedrigen Preis. Nach Angaben seiner Sprecherin zahlte der FDP-Politiker 25 Euro pro Tonne. Viele Studien kommen aber zu dem Schluss, dass der Preis schon jetzt mindestens doppelt so hoch liegen müsste, damit Unternehmen, für die CO2-Zertifikate primär gedacht sind, auch wirklich in effektive Klimaschutzmaßnahmen investieren und sich nicht freikaufen.
Buschmanns Klimaschutzschnäppchen zeigt, dass der Markt eben nicht alles regelt. Um dies zu erkennen, müsste der Rechtsanwalt und frühere FDP-Bundesgeschäftsführer aber so manchen Glaubensgrundsatz seiner marktradikalen Partei überdenken. Dann doch lieber Zertifikate kaufen.
Wir sind käuflich. Aber nur für unsere Leser*innen.
Die »nd.Genossenschaft« gehört ihren Leser:innen und Autor:innen. Sie sind es, die durch ihren Beitrag unseren Journalismus für alle zugänglich machen: Hinter uns steht kein Medienkonzern, kein großer Anzeigenkunde und auch kein Milliardär.
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ unabhängig und kritisch berichten
→ übersehene Themen aufgreifen
→ marginalisierten Stimmen Raum geben
→ Falschinformationen etwas entgegensetzen
→ linke Debatten voranbringen
Mit »Freiwillig zahlen« machen Sie mit. Sie tragen dazu bei, dass diese Zeitung eine Zukunft hat. Damit nd.bleibt.