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Die Hoffnung, mitreden zu können

Die Chemnitzer OB-Kandidatin der Linken, Susanne Schaper, erklärt ihr Antreten in Runde zwei

  • Hendrik Lasch
  • Lesedauer: 4 Min.
Wahlen in Ostdeutschland: Die Hoffnung, mitreden zu können

Am 20. September fand der erste Wahlgang der OB-Wahl in Chemnitz statt. Wie bewerten sie ihr Ergebnis?
Ich bin sehr zufrieden. Mich haben 14.584 Menschen gewählt. Seit der OB-Wahl von 1994 haben Kandidaten von PDS oder Linke in der Stadt nicht mehr so viele Stimmen erhalten, und damals lebten ja noch weit mehr Menschen in Chemnitz. Dass ich es in der Innenstadt sogar geschafft habe, vier Wahlbezirke zu gewinnen, ist besonders erfreulich. Und ich bin auch froh, dass ich den Kandidaten der AfD hinter mir lassen konnte.

Susanne Schaper
Im zweiten und entscheidenden Durchgang am 11. Oktober tritt Susanne Schaper als eine von inzwischen nur noch fünf Bewerbern erneut an, per Wahlempfehlung unterstützt von den Grünen, deren Kandidat zurückzog. Über die Chancen und Risiken der jetzigen Konstellation sprach für »nd« mit ihr Landeskorrespondent Hendrik Lasch.

Sie treten im zweiten Wahlgang erneut an. Aus welchen Erwägungen?
Ich habe nicht von vorn herein gesagt: Ich ziehe das um jeden Preis durch. Vielmehr gab es die Überlegung, für den Kandidaten der SPD zurückzuziehen. Wir haben mit ihm drei Tage intensiv verhandelt, zu welchen Bedingungen das geschehen könnte. Die Ausgangslage war nicht einfach; die SPD wurde ja schon in Runde eins auch von der FDP unterstützt. Mit uns gab es Schnittmengen, aber sie haben schließlich nicht gereicht. Wir haben die Entscheidung nicht leichtfertig gefällt. Aber ich müsste meinen Wählerinnen und Wählern gute Gründe nennen, warum sie Sven Schulze wählen sollen. Es geht auch um unsere Glaubwürdigkeit als Linke.

Die Grünen dagegen empfehlen ihren Anhängern nun, sie zu wählen. Gab das den Ausschlag für einen erneuten Antritt?
Ohne diese Unterstützung wäre ich wohl nicht erneut angetreten. Der Abstand zu SPD und CDU ist mit acht und gut sechs Prozentpunkten nicht ganz unerheblich. Die Grünen bringen zu meinem Ergebnis nun rechnerisch sieben Prozent mit - auch wenn klar ist, dass nicht alle ihrer Wähler mir ihre Stimme geben werden. Auch der Bewerber der Partei »Die Partei« verzichtet und hat sich für die »progressive Seite« ausgesprochen, womit ich mich angesprochen fühle. Das sind insgesamt sehr gute Voraussetzungen.

Halten sie das Rennen für offen?
Wir haben die begründete Hoffnung, bei der Entscheidung mitreden und vielleicht am Ende die Nase vorn haben zu können. Orakeln will ich nicht. Wir bleiben authentisch; wir bieten unsere Themen und Werte an, und die Wähler und Wählerinnen können entscheiden. Ich halte nichts davon, sie bevormunden und leiten zu wollen. Wenn man Menschen ständig vorgibt, wen sie wählen sollen, führt das zu Politikverdrossenheit.

Wo liegen Chancen und Risiken für sie?
Die Chance besteht darin, dass die Wählerinnen und Wähler entscheiden können zwischen den zwei inhaltlich sehr ähnlichen Angeboten der Kandidaten von SPD und der CDU und einem progressiven Angebot von mir mit der Zusage, dass es Veränderung und Aufbruch geben wird.

CDU-Kandidatin Patt sieht größere Chancen, weil Linke und Grüne nicht die SPD unterstützen. Der CDU liegt viel daran, die SPD-Hochburg Chemnitz zu knacken.
Man darf Wähler nicht entmündigen. Die Menschen können frei entscheiden. SPD und CDU liegen nun einmal inhaltlich nahe beieinander. Ich lasse mir nicht einreden, dass ich Schuld an einer CDU-Rathauschefin sein soll, weil ich beiden ein Angebot des Aufbruchs entgegen setze. Manchem in der SPD würde diese Argumentation vielleicht gefallen; dann müsste man nicht über das eigene Profil nachdenken. Aber dazu sage ich: Nichts im Leben ist eine Einbahnstraße.

Sollte der SPD-Mann gewinnen: Hätte die Linke durch unterlassene Unterstützung für ihn politischen Einfluss verspielt?
Jeder Oberbürgermeister braucht eine Mehrheit im Stadtrat. Da hat die linke Fraktionsgemeinschaft mit elf Sitzen die zweitstärkste Fraktion; die SPD stellt sieben Abgeordnete. Das muss man zur Kenntnis nehmen. Ich denke, die SPD und ein möglicher Oberbürgermeister aus ihren Reihen wären professionell genug zu wissen, auf wen sie bei Sachthemen setzen können und auf wen nicht. Wir verhalten uns umgekehrt ebenso.

Wie passen sie ihre Kampagne an?
Wir werben für einen sozial-ökologischen Aufbruch. Beides findet sich in unserem Programm schon bisher; jetzt betonen wir einige Akzente etwa zur Klimapolitik noch einmal stärker. Die sozialen Fragen habe ich schon bisher deutlich angesprochen, und meine Überzeugung, dass eine soziale Politik wichtig ist für den gesellschaftlichen Zusammenhalt in der Stadt, scheinen viele Wählerinnen und Wähler ja durchaus zu teilen.

Zur Landtagswahl 2019 schnitt die Linke auch in Chemnitz nicht berauschend ab. Ist jetzt ein Unterschied spürbar?
Ich denke schon. Bei landesweiten Wahlen geht es um große Themen und Überschriften; jetzt kann man konkret etwa über den Nahverkehr in der Stadt reden - und darüber, dass es nicht nur um Taktzeiten und Anschlüsse geht, sondern auch darum, ob sich Menschen einen Fahrschein leisten können. Und unsere klare Haltung, dass es mit uns keine Privatisierung in Bereichen der Daseinsvorsorge gibt, wird honoriert.

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