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Mörderische Komplizenschaft
Franco und Hitler in Hendaye - ein Zusammentreffen und die Legende darum
Am 23. Oktober 1940 hätte sich der Zweite Weltkrieg buchstäblich in eine andere Richtung entwickeln können. In Hendaye, an der französisch-spanischen Grenze am Atlantik, trafen sich Hitler und der spanische Diktator Francisco Franco. Den durch den Militärputsch von 1936 gegen die Republik ausgelösten Bürgerkrieg hatte Franco im Vorjahr dank Unterstützung durch Deutschland und Italien bei gleichzeitigem Wegschauen der Westmächte siegreich beenden können. Jetzt standen deutsche Truppen nach dem Sieg über Frankreich im Juni an den Pyrenäen. Komplettierte sich nun das faschistische Trio?
Die Probleme für einen spanischen Kriegseintritt waren offenkundig: Kriegszerstörungen kennzeichneten noch immer das Land. Der Kampf gegen den Hunger, um das tägliche Überleben durch Anstehen in den Suppenküchen oder durch Schwarzhandel, lähmte die Bevölkerung. Dazu kam der blanke Terror der Militärgerichte mit ihren Tausenden von Todesurteilen. All das sicherte zwar den Fortbestand der Diktatur, musste aber die Mobilisierung des Landes für einen Krieg erschweren. Und so hatte sich Franco nach Kriegsbeginn für neutral erklärt, auch wenn das Regime seine Sympathien deutlich zu erkennen gab. Doch als sich im Juni 1940 der Sieg über Frankreich abzeichnete, wollte Franco dabei sein. Am 12. Juni, zwei Tage nach dem Kriegseintritt Italiens, erklärte der Caudillo (Führer), Spanien sei nun nicht mehr »neutral«, sondern »nicht kriegführend«, gleichsam die letzte Stufe vor einem Kriegseintritt. Im September reiste Francos Schwager Serrano Súñer, die zweitwichtigste Führungsfigur der Diktatur, nach Berlin, um die Bedingungen für den Kriegseintritt auszuhandeln. Dabei machte er klar, dass Spanien auf deutsche Versorgungsleistungen angewiesen sei, und verlangte als Preis für die Kriegsteilnahme Gibraltar, aber auch den französischen Teil von Marokko und weitere Gebiete in Nordafrika. Die Antwort in Berlin war erst einmal hinhaltend.
Sechs Wochen danach fand nun das Zusammentreffen der beiden »Führer« statt. Beide waren mit ihren Sonderzügen angereist. Wegen des schlechten Schienenzustands kam Franco etwas verspätet, was Hitler, der so etwas nicht gewohnt war, aufregte. Nach 1945 strickte Franco aus dieser rein technischen Panne das Märchen, er habe Hitler hinhalten wollen. Mehrere Stunden tagte man mit engsten Beratern in Hitlers Salonwagen. Langatmig schwelgte zunächst Hitler in Siegesvorstellungen und bot Franco für Spanien einen Platz in seiner »Neuen Ordnung« an. Dafür müsse es sich aber aktiv am Sieg beteiligen. Franco wiederum war nur zu gerne bereit, daran teilzunehmen, und malte schon ein neues spanisches Imperium vor allem in Nordafrika aus, als »Siegesprämie« bei der Teilnahme an der neuen faschistischen Welt. Allerdings musste er auch die Karten auf den Tisch legen: Das Land sei augenblicklich nicht kriegsfähig. Hitler wiederum bestand darauf, alles für seine weitere Kriegsführung zu benötigen. Dass die im Osten stattfinden sollte, dazu hatte sich der Diktator in Berlin insgeheim schon entschlossen. Insofern schien sich nichts Konkretes aus dem Treffen zu ergeben, außer der Beschwörung einer gemeinsamen Weltsicht. Entsprechend zeigten sich beide Diktatoren gegenüber ihren Vertrauten enttäuscht.
Hitler ging es um ein gutes Einvernehmen mit dem neuen französischen Kollaborationsregime unter Marschall Pétain. Die französische Wirtschaft war zu wichtig, um mit der Wegnahme französischer Kolonialgebiete zu provozieren. Franco ließ nach dem Zweiten Weltkrieg den Mythos von seiner »Friedenstat« durch Standhaftigkeit gegenüber Hitler kolportieren. Eine Lüge.
Tatsächlich hatten nach dem Treffen die Außenminister beider Staaten ein Geheimabkommen ausgehandelt. Es versprach einen zukünftigen Kriegseintritt Spaniens nach Abschluss der militärischen Vorbereitungen dafür. Abgesehen vom allerdings noch von Großbritannien zurückzuerobernden Gibraltar blieben weitere Territorialversprechungen vage. Doch der Weg zur Unterstützung von Hitlers Krieg war in vielfacher Weise geöffnet, auch wenn Planungen für einen deutsch-spanischen Angriff auf Gibraltar bald ergebnislos endeten.
Nach einem Besuch von SS-Reichsführer Heinrich Himmler wurde Spanien unter Ausnutzung seines vorgeblich neutralen Status zu einem Stütz- und Drehpunkt der deutschen Spionage. Deutsche U-Boote konnten in spanischen Häfen, ungestört von britischen Flugzeugen, Schiffsbesatzungen austauschen und Proviant und Treibstoff aufnehmen - bis dieser flagrante Neutralitätsbruch allerdings dem Regime 1941 zu brisant wurde. Zudem nahm Spanien die Lieferung von Wolfram auf, ein für die Härtung von Panzerstahl wichtiges Metall. Zum deutschen Überfall auf die Sowjetunion trug das Franco-Regime mit der »Blauen Division« bei, die im Hinterland der Front vor Leningrad wütete. Franco rührte auch keinen Finger, als ihm die Nazis die Nachfahren der 1492 aus Spanien vertriebenen sephardischen Juden »anbot«. Seinen zahlreichen antisemitischen Äußerungen folgend, überließ er sie ihrem Schicksal. Soweit es dennoch Rettungsmaßnahmen gab, gingen diese von einzelnen, untergeordneten Funktionsträgern aus, zum Beispiel in Botschaften und auf persönliches Risiko - was spätere Apologeten des Francismus nicht zurückhielt, dies dem Regime zuzuschreiben.
Franco war also in Wirklichkeit um einen Beitrag zum faschistischen »Endsieg« bemüht. Nach 1945 wurde sein Regime dafür jedoch nicht zur Rechenschaft gezogen. Zwar unternahm Stalin auf der Potsdamer Konferenz im Juli/August 1945 einen entsprechenden Vorstoß, zwar verhängten die Vereinten Nationen bald darauf einen Boykott gegen Spanien - doch Franco nutzte geschickt den beginnenden Kalten Krieg aus. Faschistische Symbolik - die heute im öffentlichen Raum vielfach wiederkehrt - ließ man 1945 schnell verschwinden. Man erklärte sich jetzt nur noch dem Erbe des christlichen Abendlandes in Fronstellung zum atheistischen Kommunismus verpflichtet. Spanien, das 1948 noch nicht in den Marshall-Plan zur Wiederaufbauhilfe kriegszerstörter Staaten in Europa durch die USA einbezogen war, bekam nun umfassende Unterstützung aus Washington als Belohnung für ein weitreichendes militärisches Abkommen über die Einrichtung von Militärstützpunkten. Dies geschah, obwohl nicht wenige der 1945 besiegten Funktionsträger der faschistischen Herrschaft in Europa auf der Iberischen Halbinsel Zuflucht oder einen sicheren Hafen für ihre weitere Flucht nach Lateinamerika gefunden hatten.
Die Diktatur in Spanien konnte sich bis zum Tod Francos im November 1975 dank des Wohlwollens westlicher Demokratien sicher sein. Nicht zuletzt galt das für die Bundesrepublik Deutschland. Bereits Adenauer sah in Franco einen gleichgesinnten Kämpfer für das »christliche Abendland«. Selbstverständlich verzichtete man auf die Auslieferung von Kriegsverbrechern und konnte, nach der Beseitigung einiger Auflagen durch die westlichen Siegermächte, wieder an eine schon vor 1945 bewährte Tätigkeit westdeutscher Konzerne anknüpfen. Ebenso sollten militärische Kontakte nicht daran scheitern, dass Spanien kein formelles Nato-Mitglied war.
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