Mehr Augenhöhe

Kabinett billigt Verbote unlauterer Praktiken bei Verhandlungen über Lebensmittel

  • Haidy Damm
  • Lesedauer: 3 Min.

Edeka, Rewe, Aldi und die Schwarz-Gruppe mit Lidl sind die führenden Einzelhändler in Deutschland und kontrollieren nach Angaben des Bundeskartellamts zusammen mehr als 85 Prozent des Lebensmittelmarktes. Durch diese Marktmacht können sie die Bedingungen zu Landwirt*innen und Produzent*innen diktieren und etwa Ort, Umfang oder Häufigkeit von Lieferungen einseitig oder kurzfristig ändern. Zu Jahresbeginn hatte Bundesagrarministerin Julia Klöckner (CDU) angekündigt, mit der Umsetzung der EU-Richtlinie zu unlauteren Handelspraktiken die Seite der Lieferant*innen zu stärken. Am Mittwoch passierte ihr Gesetzentwurf das Kabinett.

»Wir werden die UTC-Richtlinie in Deutschland eins zu eins umsetzen«, hatte die Ministerin angekündigt. Damit sollen bestimmte Praktiken verboten werden, etwa plötzliches Stornieren bestellter leicht verderblicher Lebensmittel oder einseitige Änderungen von Liefer- und Zahlungsbedingungen. Untersagt werden soll zudem, dass verderbliche Produkte später als 30 Tage, nicht-verderbliche später als 60 Tage nach Lieferung bezahlt werden oder dass Händler*innen von Lieferant*innen Zahlungen fürs Lagern von Erzeugnissen verlangen.

An einigen Punkten geht der Entwurf aus dem Landwirtschaftsministerium über die EU-Richtlinie hinaus. So soll ebenfalls generell verboten werden, nicht verkaufte und nicht mehr verwendbare Erzeugnisse zurückschicken zu können, ohne dafür zu bezahlen und die Kosten für die Beseitigung zu übernehmen. Bei Verstößen sind im Gesetz Geldbußen von bis zu 500 000 Euro vorgesehen.

»Kleinere Lieferanten haben gegenüber den Großen des Lebensmittelhandels kaum Chance auf faire Vertragsbeziehungen«, sagte Klöckner am Mittwoch in einer Pressekonferenz. Das Gesetz stärke zudem die regionale Produktion und den Wettbewerb. Häufig sei kleinen Lieferant*innen nichts anderes übrig geblieben, als unfaire Bedingungen zu akzeptieren, wenn sie nicht »ausgelistet« werden wollten. Klöckners Parteikollege Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier sprach von einem »guten Kompromiss«. Für beide Seiten seien faire und verlässliche Vertragsbeziehungen essenziell. Diesem Ziel sei man mit dem Gesetzentwurf gerecht geworden.

Joachim Rukwied, Präsident des Deutschen Bauernverbandes (DBV), begrüßte die Neuregelungen, die die Position der Landwirt*innen in der Lieferkette stärkten. »Unlautere Handelspraktiken müssen endlich ein Ende haben«, sagte Rukwied. Dennoch bleibe die Regelung aus Sicht des DBV unvollständig, so seien etwa die angedrohten Geldbußen zu niedrig. Zudem sei der Schutzbereich auf Lieferant*innen mit einer maximalen Umsatzgröße von 350 Millionen Euro begrenzt, dieser müsse aber unabhängig von der Größe der jeweiligen Akteur*innen für alle gelten.

Der Handelsverband Deutschland (HDE) dagegen lehnt das Gesetz ab. Es führe zu weniger Wettbewerb und in der Folge zu steigenden Verbraucherpreisen. »Die Bundesregierung begibt sich mit den strengen Einschränkungen auf einen wettbewerbsökonomischen Irrweg«, sagte HDE-Hauptgeschäftsführer Stefan Genth. Die Entscheidung der Bundesregierung, vertraglich bisher grundsätzlich zulässige Gestaltungsformen über die EU-Vorgaben hinaus generell zu verbieten, sei unnötig und falsch.

Dem Grünen-Sprecher für Agrarpolitik Friedrich Ostendorff reichen die Maßnahmen nicht aus. Unfaire Handelspraktiken müssten auch bei den Hauptabnehmern landwirtschaftlicher Produkte wie Molkereien, Schlachthöfen und Mühlen verboten werden, »allen voran die gängige Praktik der Molkereien, den Milchlieferpreis erst nachträglich festzuschreiben«.

Der Gesetzentwurf geht nun an Bundestag und Bundesrat. Klöckner kündigte an, das Agrarmarktstrukturgesetz solle spätestens im April 2021 in Kraft treten.

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