Auch Schwimmen war möglich!

Das war das Tallinn Festival der Schwarzen Nächte

  • Marta Moneva
  • Lesedauer: 3 Min.

Dass der Norden Europas im Sommer während der »Weißen Nächte« eine beliebte Destination ist, ist gut bekannt. Warum aber sucht man Tallinn in der kalten und dunklen Zeit Ende November auf? Na, um ins Kino zu gehen! Und mit Kino ist Qualitätskino gemeint, Estland ist ein besonders cinephiles Land. Seit 24 Jahren lockt das baltische Filmfestival der Schwarzen Nächte (PÖFF) Fachpublikum und Zuschauer nicht nur aus der Region an. Inzwischen ist es zum größten Kinoforum in Nordeuropa geworden. Zum PÖFF gehören auch das Kurzfilmfestival PÖFF Shorts mit einer großen Animationssektion, das Kinder- und Jugendfilmfestival Just Film und die audiovisuelle Industrieplattform Industry@Tallinn sowie das Baltic Event. Eine internationale Akkreditierung - PÖFF ist gleichgestellt mit Berlin, Cannes und Venedig - und die Dauer von zwei Wochen geben vielen Besuchern großartige Möglichkeiten, sich filmisch auszutauschen.

Dieses Jahr ist aber alles anders. Die Filmbranche ist ebenfalls schwer von der Corona-Pandemie betroffen, und der Kontinent befindet sich gerade im zweiten Lockdown. Um so erstaunlicher ist es, dass die Organisatoren es geschafft haben, das Festival in Tallinn trotzdem als Hybridfest stattfinden zu lassen. Es gab sowohl physische Vorführungen vor Ort als auch virtuelle Ausstrahlungen fürs Publikum - und eine eigene Online-Plattform fürs akkreditierte Fachpublikum. Zwischen 13. und 29. November hat PÖFF 172 abendfüllende Spielfilme, 28 Kurzfilme und 13 Serien gezeigt.

Ein umfassendes und sehr aktuell konzipiertes Begleitprogramm hat das Festival besonders aufgewertet. Das Europäische Filmforum in Tallinn hat sich mit der Frage befasst, wie die unterbrochene Wertschöpfungskette zwischen Schöpfern, Produzenten, Vertrieb und Publikum wieder aufgebaut werden kann. Darüber hinaus hat man eine neue Initiative zur weltweiten Einführung der in Europa aufgebauten Urheberrechtsinfrastruktur vorgestellt. Filmemacher und Funktionäre haben Krisenerfahrungen ausgetauscht.

Eine große verbindende Rolle im und außerhalb des Baltikums spielt das Filmfestival der Schwarzen Nächte ohnehin, aber auch das Goethe-Institut Estlands kooperiert mit PÖFF und präsentiert die wichtigsten deutschen Filme des Kinojahres in der Festivalreihe »Neuer Deutscher Film«. Dieses Jahr wurde auch Deutschland als Gastland besonders hervorgehoben. Zu sehen waren Filme wie das Liebesdrama »Undine« von Christian Petzold, der Thriller »Cortex« von Moritz Bleibtreu und der Spielfilm »Home« von Franka Potente. Erwähnenswert in diesem Zusammenhang ist auch der Eröffnungsfilm »Enfant Terrible« von Oskar Roehler, eine Hommage an den großen deutschen Regisseur Rainer Werner Fassbinder.

Die mehrfach preisgekrönte deutsche Regisseurin Margarethe von Trotta, die ihre Wurzeln im Baltikum hat, wurde mit dem Preis für ihr Lebenswerk geehrt, als eine der Schlüsselfiguren des Neuen Deutschen Films. Der PÖFF Grand Prix für den besten Film ging an den bulgarischen Beitrag »Fear« von Ivaylo Hristov - eine Mischung aus Drama und Deadpan-Komödie. Der Film beschäftigt sich vor allem mit Flüchtlingsthematik und Rassismus. Den Preis für die beste Regiearbeit erhielt die türkische Regisseurin Nisan Dağ für »When I’m Done Dying«. Und als bester baltischer Spielfilm wurde »The Last Ones« von Veiko Õunpuu aus Estland ausgezeichnet.

Es war bei dem Festival übrigens auch Schwimmen möglich. Jeden Morgen um acht Uhr versammelten sich Festivalgäste zum täglichen Schwimmen im eiskalten Meer. Das Festival der Schwarzen Nächte war ein besonderer kultureller Lichtblick in dieser düsteren Zeit.

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