Startbahnen Richtung Zukunft

Berlin ist mit seinen Flughäfen verbunden - auch der BER wird die Stadt prägen

  • Tomas Morgenstern
  • Lesedauer: 3 Min.

Am Himmel über Berlin ist es zum Ende des Jahres 2020 relativ still. Auf weniger als ein Zehntel hat die Corona-Pandemie den Luftverkehr im Vergleich zu normalen Zeiten reduziert. Eine in Großbritannien entdeckte Virusvariante hat den im zweiten Lockdown ausgebremsten Weihnachtsreiseverkehr in Teilen zum Erliegen gebracht.

Seit dem 31. Oktober ist der Flughafen Berlin Brandenburg »Willy Brandt« BER das wichtigste Tor der deutschen Hauptstadt zu den Metropolen Welt. Genau acht Tage nach seiner Inbetriebnahme wurde mit dem Airport in Tegel der letzte der drei Zivilflughäfen geschlossen, über die Berlin nach dem Mauerfall noch verfügte. Der innerstädtische Flughafen Tempelhof war schon 2008 stillgelegt worden, und der ehemalige DDR-Flughafen Berlin-Schönefeld ging am 25. Oktober 2020 als Terminal 5 in den Bestand des BER über. Fliegen von und nach Berlin - das wird künftig nur noch über Schönefeld stattfinden.

Wo Berlin in die Luft ging

Johannisthal: am 26. September 1909 öffnet Berlins erster kommerzieller Flugplatz. Ab 1952 nicht mehr genutzt, 1995 offiziell aufgegeben, heute Teil eines Landschaftsparks.

Staaken: 1915 Werft der Zeppelinwerke. Ab 1919 ziviler Luftschiffhafen danach Verkehrsflughafen. Nach 1933 Hauptwerft der Lufthansa und Schulungsbasis der NS-Luftrüstung. Von der Sowjetarmee 1953 geschlossen, 1957 an die DDR übergeben.

Gatow: ab 1925 Segelflug, 1935 Flugplatz und Ausbildungszentrum der Luftwaffe. Juli 1945 Übergabe durch Rote Armee an Briten. Bis 1950 auch zivile Flüge. Ende des Flugbetriebs 30. Juli 1994. Übergabe an Bundeswehr, heute Kaserne und Militärhistorisches Museum.

Tempelhof: ab 1884 militärischer Ballon-, dann Luftschiff-Stützpunkt. Ab 1923 Verkehrsflughafen mit Linienbetrieb. Bis 1945 Militärflugplatz und Flugzeugwerk. U.S. Air Force übernimmt im Juli 1945, 1950 bis 1975 Teilfreigabe für Zivilluftverkehr, Wiederaufnahme 1981. Übergabe an Berlin 1993. Schließung 30. Oktober 2008. Volksentscheid 2014 für Erhalt des Tempelhofer Feldes, gegen Bebauung.

Tegel: 1900 Verlegung 1. Preußisches Luftschiffer-Bataillon in die Jungfernheide. 1930 wird Gründung Raketenschießplatz Tegel, bis 1945 Flak-Übungsplatz. 1948 französischer Militärflugplatz, ab 1960 auch ziviler Flugbetrieb. 1974 Einweihung Flughafenneubau. 8. November 2020 Schließung des Flughafens, Entwidmung voraussichtlich Mai 2021.

Schönefeld: 1934 - 1945 Flugplatz der Henschel-Flugzeugwerke. April 1945 Besetzung durch Rote Armee. Ab 1946 Flugverkehr durch Aeroflot, 1947 Aufbau eines Zivilflughafens. Übergabe an die Deutsche Lufthansa der DDR ab 1955. Bis 1990 Ausbau als DDR-Zentralflughafen. Modernisierung ab 1995. Seit 25. Oktober 2020 Terminal 5 des Hauptstadtair᠆ports BER für zunächst weitere zehn Jahre. tm

Berlin und sein Umland wurden im 19. Jahrhundert zur Wiege der Luftfahrt, auch wenn beim Motorflug die Gebrüder Wright aus Amerika die Nase vorn hatten. Der erste kommerzielle Flugplatz entstand 1909 in Johannisthal, der zivile Luftverkehr ab den 1920ern ist verbunden mit Staaken - und mit Tempelhof, das ab 1936 den ersten modernen Großflughafen der Welt erhielt. Die Hauptstadtregion verfügte über eine ganze Landschaft von Flugplätzen und Verkehrsflughäfen, die sowohl die Stadtentwicklung als auch die Ansiedlung von Wirtschaftsunternehmen voranbrachten.

Was heißt es für Berlin, wenn von »Flughäfen als Motoren der Metropolregionen« die Rede ist? Darüber wurde Anfang Dezember auch bei den »Metropolengesprächen« des Architekten- und Ingenieurvereins zu Berlin-Brandenburg (AIV) diskutiert. Dort geht es im 100. Gründungsjahr von Groß-Berlin um Entwicklungsfragen der »Unvollendeten Stadt«.

Tempelhof und Tegel haben Luftfahrt- und Stadtgeschichte geschrieben. Projektgesellschaften entwickeln die historischen Flughäfen zu komplett neuen, innovativen Stadtteilen. Mit dem Tempelhofer Feld und der multifunktionalen Nutzung des Flughafengebäudes sowie den Tegeler Innovationsclustern, der Urban Tech Republic und des Schumacher-Quartiers, entsteht Berlins Zukunft.

»Der Flughafen fungiert mit seiner Entwicklungsdynamik als Motor, Treiber und Impulsgeber für die ganze Stadtregion«, lautete die These von AIV-Vorstandsmitglied Johanna Sonnenburg, und diese bezog sie sowohl auf den aktiven Airport BER, als auch auf die angelaufenen Nachnutzungsprojekte von Tempelhof und Tegel. Was können Flughäfen zur Stadtentwicklung beitragen?

Eigentlicher Zweck eines Flughafens ist das Fliegen. »Wir sind Berlins Hauptverbindungsader in eine globalisierte Welt. Das ist für uns der europäische Raum mit den angrenzenden Kontinenten«, erklärte der Geschäftsführer der Flughafengesellschaft Berlin-Brandenburg, Engelbert Lütke Daldrup. Man sei auf gutem Wege gewesen, auch neue interkontinentale Verbindungen zu erschließen. Das habe die Pandemie zunächst verhin᠆dert. »Aber wir werden eine Wiederbelebung des Flugverkehrs erleben«, sagte er. Trotz aller Probleme sehe er auch die weitere Entwicklung des BER nicht pessimistisch. »Wir müssen aber künftiges Wachstum umweltpolitisch so gut wie nur möglich gestalten.«

»Wir sind für die Anbindung an die globale Ökonomie ein sehr wichtiger Standort, aber auch für die in den letzten 20 Jahren immer wichtiger gewordenen Privatreisenden«, so der BER-Chef. Insofern sei der neue Flughafen eine Basisinfrastruktur für die Region, für ganz Ostdeutschland, aber auch für Westpolen und Teile Tschechiens. Ein »intermodaler Knoten«, der den Airport an das ICE-Netz der Eisenbahn anbinde, die Berliner City gut erreichbar mache und eine Schnittstelle mit dem Fernbusverkehr nach Osteuropa biete.

Als Immobilieneigentümer verfüge die Flughafengesellschaft über große Flächen über den BER hinaus. Laut Lütke Daldrup entwickle sie das Areal zwischen Autobahn und Flughafen zur klassischen Airport-City. Darüber hinaus engagiere sie sich in der Gemeinde Schönefeld selbst. Dort entstehe vielleicht in den kommenden 20 Jahren eine zweite Flughafenstadt. »Die Kunst wird dabei darin bestehen, Vielfalt zu organisieren und interessante Lebensräume zu schaffen, die die Menschen zum Bleiben bewegen.«

Abonniere das »nd«
Linkssein ist kompliziert.
Wir behalten den Überblick!

Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal