Coronaleugner-Cops organisieren sich

»Polizisten für Aufklärung« veröffentlichen Tipps, wie man Einsätze auf Demos verweigern kann

  • Dieter Hanisch
  • Lesedauer: 3 Min.

Immer mehr Gruppierungen, die Corona verharmlosen oder leugnen, versuchen real wie virtuell die Öffentlichkeit zu fluten. Jetzt melden sich auch die »Polizisten für Aufklärung« als Anfang des Monats konstituierter Verein zu Wort, offenbar inspiriert von verschwörungsideologisch geprägten Berufsgruppeninitiativen wie »Ärzte für Aufklärung« und »Anwälte für Aufklärung«.

In den vergangenen Monaten waren bereits mehrfach Fälle bekannt geworden, in denen Polizisten an Coronaleugnerdemos teilnahmen und dort sogar als Redner auftraten. Ihnen und anderen Kollegen, die die Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie ablehnen, will der neue Verein praktische Unterstützung bieten. So informiert er über Möglichkeiten, etwa Einsätze bei Kundgebungen zu verweigern. Er macht auf die sogenannte Remonstrationspflicht aufmerksam. Die besagt, dass Beamte, wenn sie Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit dienstlicher Anordnungen haben, diese unverzüglich beim unmittelbaren Vorgesetzten anzeigen müssen. Zielgruppe sind nach eigenem Bekunden aktive oder ehemalige Polizeibeamte, Bundespolizisten und Soldaten. Auf der Webseite ist auch von einem angeblichen Impfzwang gegen Corona und von »Zwangstestungen« die Rede. Der Verein erklärt, die freiheitlich demokratische Grundordnung zu verteidigen.

Als Erster Vorsitzender des neuen Vereins agiert Karl Hilz, als sein Stellvertreter Bernd Bayerlein, beide aus Bayern. Sie waren bereits mehrfach bei Demonstrationen gegen die Corona-Maßnahmen als Redner anzutreffen, Hilz zuletzt am 19. Dezember in München und am Folgetag in Rosenheim. Der frühere Hauptkommissar ist seit zwei Jahren Pensionär. Bayerlein hingegen ist mit 49 Jahren als Polizeihauptkommissar aktiv. Wegen seiner verstörenden öffentlichen Auftritte, bei denen er das für Beamte geltende Neutralitäts- und Mäßigungsgebot ignorierte, wurde er jedoch vom Dienst suspendiert.

An der Seite von Hilz und Bayerlein trat mit dem Kriminalhauptkommissar Wolfgang Kauth ein weiterer Polizeivertreter Bayerns Ende August bei der Querdenken-Großdemonstration in Berlin auf. Dazu gesellte sich der nach einer Rede bei einem Querdenken-Aufzug in Dortmund vom Dienst suspendierte Kriminalhauptkommissar Michael Fritsch aus Hannover. Letzterer soll nach Informationen des Portals »Endstation rechts« mittlerweile auch bei den »Polizisten für Aufklärung« aktiv sein.

Mit Blick auf die Aktivitäten von Hilz sagte Bayerns Innenminister Joachim Hermann (CSU), auch die Meinungsfreiheit von Ruhestandspolizisten kenne wegen der Treuepflicht klare Grenzen. Hilz nennt beispielsweise die im November verabschiedete Novelle des Infektionsschutzgesetzes »Ermächtigungsgesetz« und reiht sich damit in den Tenor der Kritiker am rechten Rand ein. Bereits 2008 zeigte Hilz politische Ambitionen und kandidierte für die Freien Wähler.

Als Pressesprecherin des Polizistenvereins fungiert Vicky Richter. Sie ist persönliche Referentin des bayerischen AfD-Landtagsabgeordneten Markus Bayerbach. Denkbar, dass die Organisation auch Kontakt zu Markus Schlöffel aus Nordrhein-Westfalen aufnimmt, seit knapp 30 Jahren bei der Bundespolizei, zuletzt Polizeihauptmeister, bis er nach seinen Aktivitäten gegen Corona-Maßnahmen vom Dienst suspendiert wurde.

Mit Thomas Wüppesahl, ehemals Mitglied der Grünen, früherer Bundestagsabgeordneter, stringenter Atomkraftgegner und verurteilter und dadurch aus dem Dienst ausgeschiedener Hamburger Kriminalbeamter, haben die Gegner der Coronamaßnahmen neuerdings einen Prominenten in ihren Reihen, der aus dem linken Lager kommt. Der in Geesthacht wohnende Wüppesahl ist seit Jahrzehnten Sprecher der Bundesarbeitsgemeinschaft kritischer Polizistinnen und Polizisten. Aktuell vermengt er berechtigte mit populistischer Kritik an der Pandemiepolitik. Durch Wüppesahls Auftritte in Sinsheim bei »Querdenken« und in Osnabrück dürften die Anti-Corona-Aktivisten sich jedenfalls bestärkt fühlen.

Die schleswig-holsteinische Gewerkschaft der Polizei (GdP) zeigt sich auf »nd«-Anfrage bestürzt über die Aktivitäten des neuen Vereins. Der GdP-Landesvorsitzende Torsten Jäger hat den Staatsschutz beim Landeskriminalamt informiert. Jägers Bewertung: »Der besagte Verein erschwert den Einsatz und das Engagement unserer Kolleginnen und Kollegen.« Ein Mitwirken von aktiven Polizisten in dem Zusammenschluss müsse zwingend disziplinar- und beamtenrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen, sagte Jäger.

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