Zu wenig Geld um Profi zu sein

Die gleichberechtigte Förderung im Behindertensport ist immer noch lückenhaft

  • Olek Meyer
  • Lesedauer: 4 Min.

Seit Mai 2019 wurde die so genannte Topteam-Förderung für Paralympics-Athlet*innen angeglichen. Statt vorher 100 bis 200 Euro, bekommen die behinderten Spitzensportler*innen nun genauso viel Geld wie ihre olympischen Kolleg*innen - und zwar mindestens 800 Euro im Monat. Die Summe, die von der Stiftung Deutsche Sporthilfe an die Athlet*innen weitergeleitet wird, setzt sich aus einer staatlichen Förderung des Innenministeriums, Sponsoren- und Spendengeldern zusammen. Dass dieser Betrag für die Kaderathleten angeglichen wurde, sei ein großer Erfolg für den Behindertensport, berichtet Niels Verhoef, Referent für Athletenförderung im Deutsche Behindertensportverband (DBS). Insgesamt profitieren mittlerweile 96 Personen von diesen zusätzlichen Beträgen.

Para-Athletensprecherin Mareike Miller, Mitglied des deutschen Nationalteams im Rollstuhlbasketball, ist eine dieser geförderte Athlet*innen. »Grundsätzlich ist die erhöhte Unterstützung ein erster Schritt, da man damit nun Investitionen für Heimtrainingselemente, Trainingsfahrten und Trainingslager bezahlen kann, ohne jeden Cent umdrehen zu müssen«, sagt Miller. Denn viele Materialien und entstehende Kosten aus dem Sportalltag müssen Athlet*innen aus der eigenen Tasche zahlen. Miller bekäme zwar immer mal wieder einen Rollstuhl durch die Sponsoren des Nationalteams gestellt, jedoch müssten Kosten für verschlissene Ersatzteile teilweise selbst aufgebracht werden. Für Miller persönlich bedeutet die Erhöhung der Grundförderung also, dass sie nun besser trainieren kann, da sie selbst neben dem Sport auch weiterhin noch arbeiten geht und nicht nur Geld aus der Topteam-Förderung schöpft. Aber für andere sei es eine finanzielle Grundsicherung, wenn sie sich komplett auf den Sport konzentrieren.

Für diesen Weg des Profis entscheiden sich im Behindertensport aber nur die Allerwenigsten. Miller stellt klar: »In den paralympischen Disziplinen ist es schwieriger, Profisportler zu sein.« Dafür braucht es Zeit, insbesondere in der Vorbereitung für die Paralympischen Spiele in Tokio. Und das wiederum geht nur mit regelmäßigen Einnahmen. Aus Sponsoring zum Beispiel, auf die allerdings nur sehr wenige Stars zählen können.

Von den 800 Euro Topteam-Förderung allein lässt sich immer noch nur schlecht leben. Die Eliteförderungen zur Vorbereitung auf die Spiele in Tokio könnten Abhilfe leisten. 150 olympische Athlet*innen werden zusätzlich zur Grundförderung auf diese Weise mit 1000 Euro finanziert. Sportler*innen aus paralympischen Disziplinen sind aber nicht darunter. Dabei würden ein Athlet wie Kugelstoßer Niko Kappel, der 2016 die Goldmedaille bei den Paralympischen Sommerspielen in Rio gewann und zuletzt Weltrekord stieß, die Kriterien locker erfüllen. Der DBS hätte zwar Gespräche mit der Deutschen Sporthilfe begonnen, berichtet Verhoef gegenüber »nd«, nur ruhen diese seit Beginn der Corona-Pandemie, weil Sponsoring zur Zeit ohnehin sehr unattraktiv wäre. Und ein privater Geldgeber sei für diesen Extratopf offenbar nötig.

Fehlt das Geld, sich ausschließlich auf den Sport zu konzentrieren, wird eine Karriere bei verschiedenen Bundesbehörden besonders attraktiv. Immerhin sehen seit 2013 auch Individualförderungen durch Bundeswehr, Bundespolizei und Zoll Plätze für Behindertensportler*innen vor. Wer einen erhält, bekommt ein regelmäßiges Einkommen und kann den Fokus auf die Leistungssporkarriere legen, bis sie endet.

Wer Medaillen gewinnt, erhöht die Chance, Teil dieser Programme zu werden. Doch die Anzahl der verfügbaren Plätze ist sehr überschaubar. Im Moment haben, von den insgesamt geförderten 1059 Personen bei den Bundesbehörden 29 Athlet*innen eine Behinderung. Das sind gerade einmal drei Prozent. »Qualitativ sind die paralympischen Sportler*innen nun gleichberechtigt, quantitativ noch nicht«, kostatiert Niels Verhoef vom DBS.

Viele Athlet*innen hätten Interesse an einer Ausweitung der Stellen bei Bundesbehörden, berichtet Athletensprecherin Miller. Diese Entwicklung zeichnet sich auch ab. Jedes Jahr stünden weitere Stellen für Para-Athlet*innen zur Verfügung, sagt Verhoef. Dennoch können auf Grund ihrer Behinderung nicht alle Sportler im Dienstrang bei den einzelnen Armee- und Polizeibehörden aufsteigen. Beförderungen würden für sie auch per se wegfallen. Außerdem seien durch verschiedene körperliche Einschränkungen nicht alle für den Dienst zum Beispiel bei der Bundeswehr einsetzbar.

Der Weg zur Gleichberechtigung wurde durch die Angleichung der Kaderförderung und die Einbindung in die Bundesbehörden über die vergangenen Jahre weiter geebnet. Doch es fehlen Förderstellen oder Sponsoren für eine faire Verteilung der Sporthilfemittel. Gleiche Chancen haben die Para-Athlet*innen also immer noch nicht.

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