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»Die Regionalliga braucht Corona-Hilfen«
Hermann Winkler, neuer Präsident des Nordostdeutschen Fußballverbandes, kündigt an, sich für den Osten starkzumachen
Herr Winkler, Sie sind vor wenigen Tagen zum kommissarischen Präsidenten des Nordostdeutschen Fußballverbandes gewählt worden. Was haben Sie denn in Ihrer ersten Woche tun können?
Ich habe in der ersten Woche erst mal versucht, die vielen Glückwünsche zu beantworten per Mail, Rückruf oder WhatsApp. Es waren sehr viele, darunter waren auch viele Angebote zur Mitwirkung. Zudem habe ich viele Videokonferenzen geführt mit der NOFV-Geschäftsstelle in Berlin, mit den Mitarbeitern, mit dem Spielausschuss.
Hermann Winkler aus Grimma ist seit acht Tagen Präsident des Nordostdeutschen Fußballverbandes. Der Maschinenbau-Ingenieur war von 1990 an Berufspolitiker: Von 1990 bis 2009 saß er für die CDU im Sächsischen Landtag (von 2004 bis 2007 auch Staatsminister und Chef der sächsischen Staatskanzlei), von 2009 bis 2019 im Europäischen Parlament. Er steht zudem dem Sächsischen Fußballverband vor. Im Gespräch mit Jirka Grahl verriet er seine Pläne für den Fußball-Osten.
Was sind die drängendsten Themen, die Sie im Verband angehen wollen?
Die vordergründige Frage ist, wie geht es weiter mit dem Spielbetrieb in allen Spielklassen, die unseren Verband betreffen? Die zweite Frage, wenn wir den Spielbetrieb hoffentlich bald aufnehmen, wie werten wir dann die Saison? Die endet ja am 30. Juni. Da gibt es verschiedene Modelle und - je nach Tabellenstand - haben die Vereine da unterschiedliche Meinungen.
Für welche Ligen ist der NOFV zuständig?
Bei den Männern für Regionalliga Nordost und NOFV-Oberliga sowie die Frauen-, Junioren- und Futsal-Regionalligen.
Die am meisten beachtete Spielklasse unter diesen Ligen ist sicherlich die Regionalliga der Männer. Davon gibt es in ganz Deutschland fünf. In den Staffeln West und Südwest darf trotz Corona gespielt werden, Nord, Nordost und Bayern indes haben Zwangspause. Am vergangenen Wochenende beklagte das Vorstandsmitglied des BFC Dynamo, Peter Meyer, hier in »nd.DieWoche« ...
Habe ich gelesen. Auch wenn der mich kritisiert hat! (lacht) ...
Meyer sagte, der NOFV setze sich zu wenig für die Regionalligisten ein. Was antworten Sie auf diesen Vorwurf?
Das stimmt nicht, die Regionalliga ist unser Premiumprodukt, auf das wir stolz sind. Das ist a) geprägt von Traditionsmannschaften und b) qualitativ sehr hochwertig. Ich schätze die Regionalliga Nordost als qualitativ am stärksten ein von allen fünf in Deutschland. Nur sind uns als Verband natürlich in vielen Bereichen die Hände gebunden, zum Beispiel, was den Spielbetrieb unter Coronabedingungen angeht. Da sind wir zu 100 Prozent abhängig von den Verfügungslagen der Bundesländer.
Wer hatte die Entscheidung zu fällen, ob die NOFV-Regionalliga spielen darf?
Das macht die Landespolitik. Zur Zeit ist es so, dass zum Beispiel in Sachsen, Brandenburg und Thüringen gesagt wird: Ihr könnt spielen, wenn ihr testet und die Zuschauer aussperrt. Aber das Land Berlin sagt ganz klar: Bei uns wird nicht gespielt!
Und damit ist alles hinfällig?
Ja. Wir haben sechs zuständige Landesregierungen, schert eine aus, ist das Thema erledigt. Dass unser Regionalverband sich über sechs Landesgrenzen erstreckt, ist da schon ein Problem. Regionalverbände im Westen dagegen bestehen teilweise nur aus ein oder zwei Bundesländern.
Noch mal anders gefragt: Wo setzen Sie sich konkret für die Regionalligisten ein?
Ich habe vor - die Vorbesprechungen sind schon gelaufen -, ganz konkret bei der Bundespolitik nachzubohren, damit unsere Regionalligisten auch Corona-Hilfen bekommen können. Bisher ist das nicht so, deswegen habe ich große Angst um die Überlebensfähigkeit vieler Vereine. Auch wenn die Krise überstanden ist, fehlt den Klubs wegen der ausgefallenen Zuschauereinnahmen Geld. Zudem bin ich in Sorge, was aus den kleinen Sponsoren wird, die unsere Vereine bisher unterstützen.
Weil im Osten die Sponsoren vor allem kleine mittelständische Betriebe sind?
Von den 500 größten Unternehmen in Deutschland haben nur 36 ihre Zentrale in Ostdeutschland. Wir wissen also, wo die Entscheidungen gefällt werden, was wie unterstützt wird. Ich sorge mich wirklich um diejenigen, die unsere Vereine unterstützen: die Reisebüros, die Gastronomen, die Handwerker. Die leiden doch wegen der Pandemie ganz besonders.
Was kann man tun?
Ich muss als Verband beim Bund erreichen, dass Regionalligavereine auch als wirtschaftliche Unternehmen anerkannt werden, die für eine Region enorm wichtig sind: Die brauchen die Corona-Hilfen! Zur Zeit fallen unsere Regionalligisten mit ihrer Semiprofessionalität bei den Vereinshilfen der Ländern durchs Raster, weil gesagt wird: Na, ihr seid doch keine gemeinnützigen Vereine! Und bei den Unternehmenshilfen des Bundes fallen sie raus, weil gesagt wird: Naja, richtige Unternehmen seid ihr auch nicht, ihr seid eigentlich Vereine! Deshalb versucht der NOFV, durch Schreiben oder Gespräche da noch etwas zu erreichen.
Der Mitteldeutsche Rundfunk (MDR) erwägt, sich aus der Live-Berichterstattung von der Regionalliga zurückzuziehen. Was würde das für die Vereine bedeuten?
Einnahmeverluste von 15 000 Euro pro Verein. Und für den Verband ein paar Zehntausend Euro weniger. Und deshalb sind wir gerade an der Terminabstimmung mit dem MDR, um zu versuchen, den Vertrag weiterzuführen. Oder mit anderen Partnern unser Premiumprodukt zu vermarkten.
Sind 15 000 Euro pro Verein das Wertvolle an dieser Berichterstattung oder die Präsenz im öffentlich-rechtlichen TV?
Die Präsenz ist noch wichtiger. Damit bieten wir eine Plattform für Sponsoren aus den Regionen oder den Kommunen. Die TV-Präsenz erfreut die Fans natürlich. Zudem ist es aber auch wichtig für die Akzeptanz in der Gesellschaft, dass unser Sport bei den Öffentlich-Rechtlichen stattfindet.
Ihre Wunschlösung wäre also?
Der Wunschpartner ist der MDR.
Ein ewiges Thema: Der Regionalligameister Nordost muss sich mit den Meistern aus Bayern und dem Norden um zwei Aufstiegsplätze zur 3. Liga streiten. Besteht die Chance, bis Ende Ihrer Präsidentschaft 2022 etwas daran zu ändern?
Nein. Das ist festgeschrieben mit einem Beschluss vom DFB-Bundestag bis 2022. Es ist ein Kompromiss, der keinen zufriedenstellt, denn der Meister sollte aufsteigen, alles andere ist Mist. Aber wir haben es bisher nicht anders lösen können.
Sie sind auch Präsident des Sächsischen Fußball-Verbandes. Sinken neben den Einnahmen auch die Mitgliederzahlen der Vereine?
Wir haben keine Zahlen, das muss ich ehrlicherweise zugeben. Aber ich bin nach vielen Gesprächen in Sorge: Jetzt im Januar haben viele Vereine ihre Vereinsbeiträge für das Jahr erhoben. Tendenzen sind spürbar, dass viele Mitglieder überlegen, Mensch, sollst du denn jetzt den Jahresbeitrag bezahlen, du machst doch schon seit Monaten gar keinen Sport im Verein. Da wartest du erst mal oder bezahlst nicht oder trittst erst mal aus, eintreten kannst du ja immer wieder. Das ist ein Damoklesschwert, das über den Vereinen hängt. Insofern müssen wir mit Mitgliederschwund rechnen. Das ist natürlich bitter für die Vereine weil sie die kleinen Beiträge dringend brauchen.
Der NOFV steht für den Fußball-Osten. 30 Jahre nach der Wiedervereinigung: Wo ist die Fußball-Einheit gelungen und wo ist sie noch nicht vollzogen?
Im Fußball ist die Einheit noch nicht vollzogen, das stelle ich leider ganz klar fest. Wir haben diese unterschiedlichen wirtschaftlichen Voraussetzungen für den Vereinssport, die ich vorhin an dem Beispiel der Sponsoren nannte. Wir haben zu Beginn der 1990er Jahre viel Kapital in Form von jungen Spielern der Bundesliga zugespielt und haben das bis heute nicht aufholen können. Ich persönlich bin jemand, der 30 Jahre nach der Wiedervereinigung gar nicht gerne dieses Ost-West-Thema spielt. Es gibt nun mal strukturelle Unterschiede, die uns benachteiligen. Aber ich muss auf die Besonderheiten unseres Verbandsgebietes hinweisen. Es ist auch eine emotionale Frage, das spüre ich im Gespräch mit vielen Sportfreunden: Wir sind der einzige Regionalverband Deutschlands, der mal Fifa- und Uefa-Mitglied war. (lacht)
Als NOFV-Präsident wird man automatisch zu einem der Vizepräsidenten des Deutschen Fußball-Bundes. Dort herrscht derzeit ein ziemlich heftiger Machtkampf zwischen dem Präsidenten Fritz Keller und dem Generalsekretär Friedrich Curtius. Haben Sie mit den beiden zerstrittenen Funktionären bereits gesprochen?
Ja, ich hatte mit beiden Kontakt. Und auch schon mit anderen. Im Prinzip war das schön, dass ich dort gut aufgenommen worden bin. Am Freitag bin ich kooptiert worden, nun freue ich mich auf die Zusammenarbeit. Ich will dort einfach auch Verbündete suchen für unsere Themen. Und vielleicht versuchen, meinen kleinen Beitrag dazu zu leisten, dass sich auch der DFB wieder um das Fußballspielen und um die Vereine kümmern kann, anstatt um sich selbst.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
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