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- Islamistischer Terror
Dem Ölkonzern Total wird der Norden Mosambiks zu heiß
Französischer Energiekonzern zieht wie im Januar wegen militärischen Konflikts in Mosambik Mitarbeiter ab
Es ist ein Déjà-vu: Am Wochenende hat der französische Öl- und Gasgigant Total erneut seine Mitarbeiter*innen abgezogen. Dabei sollten die Arbeiten zur geplanten Gasverflüssigungsanlage für die enormen Vorkommen im Norden Mosambiks gerade erst wieder aufgenommen werden. Erstmalig wurden sie nach einem Angriff am Jahresanfang unterbrochen. Während für einige Monate zumindest eine Rumpfbesetzung zurückblieb, wurden diesmal alle Mitarbeiter*innen evakuiert.
Anlass war der Angriff islamistischer Kämpfer auf die Stadt Palma, nur wenige Kilometer von dem Total-Projekt entfernt. Damit endete die relative Ruhe in der Provinz Cabo Delgado abrupt. Alex Vines, Analyst der Londoner Organisation Chatham House, sagte in einem Interview: »Der Angriff auf Palma hat gezeigt, dass der Aufstand immer noch virulent ist und die Regierung wirklich überfordert ist und sich schwer tut, ihn einzudämmen.« Zwar verlegte die mosambikanische Regierung weitere Militärtruppen in die Gegend, aber es dauerte zehn Tage, bis die Stadt wieder unter ihrer Kontrolle war. Erstmalig konnten auch TV-Journalist*innen am Montag in die Stadt. Sie veröffentlichten Bilder von zerstörten Gebäuden, insbesondere von staatlichen Institutionen.
Nach geraumer Zeit hat sich Präsident Filipe Nyusi zu Wort gemeldet. Dabei bezeichnete er den Angriff zwar als »groß«, nicht aber als den schwersten bisher. Der »Islamische Staat« hatte den Angriff auf Palma für sich reklamiert. Laut IS wurden dabei 55 Soldaten und christliche Bewohner getötet. Die mosambikanische Armee sprach von Dutzenden Toten. Seit 2017 greifen islamistische Kämpfer staatliche Einrichtungen und Siedlungen in Cabo Delgado an.
Nach den Angriffen im Januar hatte Total mehr Sicherheitsgarantien von der Regierung eingefordert. Dass die staatlichen Strukturen jedoch nicht in der Lage sind, die Garantien zu halten, wurde jetzt mehr als deutlich. Vor einer erneuten Rückkehr wird Total die Aktivitäten der Regierung genau beobachten, ist sich Vines sicher. Und Joe Hanlon, renommierter Mosambik-Experte, geht von mindestens einem Jahr Stopp der Arbeiten aus.
Kurzfristig ist mit weiterer Gewalt zu rechnen. So haben die islamistischen Angreifer eine große Anzahl von Munition in Palma erbeutet. Auch im vergangenen Jahr begann mit dem Ende der Regenzeit im März und April eine Welle von Angriffen. Und die mosambikanische Regierung ist gezwungen, Härte zu zeigen. Zum einen muss sie nach dem Propagandaerfolg der Islamisten unbedingt Erfolge vorweisen und zum anderen will die Regierung weiterhin, trotz allen Drucks von außen, externe Akteure aus dem Konflikt heraushalten. Nicht umsonst griff die Regierung bisher auf russische und südafrikanische - sowie nach jüngsten Berichten auch britische - Söldner zurück und hat lediglich die Ausbildung ihrer Streitkräfte durch US-amerikanische und portugiesische Berater gestattet. Dass aber insbesondere Frankreich und die USA ihre Interessen stärker einbezogen haben wollen, ist offensichtlich. Für Frankreich geht es um die Absicherung der Investition von Total und den USA zur Bekämpfung des islamistischen Terrorismus. Mitte März hatten die USA, die beiden in Cabo Delgado aktiven islamistischen Gruppen, als »ausländische Terrororganisation« eingestuft.
Die große Unbekannte ist weiterhin die benachbarte Regionalmacht Südafrika. Bisher hat sich das Land nur mit Ankündigungen und Ermahnungen zu Wort gemeldet, den Konflikt endlich einzudämmen. Südafrika mischt sich selten in die internen Angelegenheiten anderer Staaten ein. Ferner hat das Land keine Erfahrungen mit Aufstandsbekämpfung dieser Art und die finanziellen Ressourcen sind aufgrund der Covid-19-Pandemie nicht vorhanden.
Währenddessen nimmt die Anzahl der Menschen zu, die vor Gewalt und dem Konflikt fliehen. UN-Quellen gaben an, dass mehr als 10 000 Menschen, aus Palma geflohen sind. Organisationen wie das mosambikanische Centro de Integridade Pública (CIP) rechnen damit, dass mit den aktuellen Kämpfen die Zahl der Geflüchteten im Norden Mosambiks auf über 700 000 Personen angestiegen ist. In einer aktuellen Untersuchung, welche noch im April veröffentlicht werden soll, wirft das CIP der Regierung vor, sich nicht ausreichend um die Geflüchteten zu kümmern. So wurde es verpasst, Aufnahmezentren für die Tausenden von Vertriebenen zu schaffen. Stattdessen wird, so in einer bereits veröffentlichten Stellungnahme des CIP, diese Verantwortung den Familien und der Zivilgesellschaft überlassen.
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