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Ministerin unter Druck

Was wusste Kramp-Karrenbauer über die Munitonsamnestie?

Am Montagnachmittag stellte sich Bundesverteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) den Fragen der Abgeordneten im Verteidigungsausschuss zur Munitionssammelaktion im Kommando Spezialkräfte KSK. Die vierstündige Sondersitzung widmete sich ausschließlich der vor wenigen Wochen bekanntgewordenen und offenbar widerrechtlich gewährten Munitionsamnestie.

»Die Ministerin wurde von ihrem eigenen Ministerium nach ihren Aussagen über einen zweifelsohne wichtigen strafrelevanten Vorgang nicht informiert«, sagte der verteidigungspolitische Sprecher der Linksfraktion Tobias Pflüger und konstatierte: »Die Ministerin hat also ihr Ministerium nicht im Griff.«

Munitionsamnestie zunächst geheim gehalten

Im Frühjahr 2020 konnten die Soldat*innen der Bundeswehr-Eliteeinheit auf Geheiß ihres Kommandeurs Brigadegeneral Markus Kreitmayr entwendete oder widerrechtlich nach Schießübungen gehortete Munition abgeben, ohne dass die Bundeswehreinheit strafrechtliche Ermittlungen einleitete. Insgesamt wurden bei dieser Aktion mehr als 40 000 Schuss an Munition gesammelt. Derzeit laufen staatsanwaltschaftliche und auch dienstrechtliche Ermittlungen gegen Kreitmayr, der die Amnestie angeordnete hatte.

»Bei der heutigen Sondersitzung wurde klar, dass noch lange nicht alle Details der Skandale beim Kommando Spezialkräfte bekannt sind«, kritisierte Pflüger nach der Sitzung. Von einem guten Weg, den das Verteidigungsministerium bei der Reform des KSK sehen will, könne nicht die Rede sein, so Pflüger gegenüber »nd«. Man stieße bei der Untersuchung der Vorfälle auf immer neue Skandale.

Für Kramp-Karrenbauer sorgt das für ein offenkundiges Problem. Sie erfuhr nach den am Montag gemachten Angaben bereits Ende Juni 2020 von der Munitionsrückgabe, leitete aber keine Ermittlungen gegen den KSK-Kommandeur ein. Auch Generäle vorgesetzter Dienststellen, die gegen Kreitmayr hätten ermitteln müssen, sperrten sich zunächst. Ohne den im Januar 2021 begonnenen Prozess vor dem Landgericht Leipzig gegen einen KSK-Soldaten, wäre die Munitionsamnestie offenbar also nicht zum Ermittlungsgegenstand der Behörden geworden.

Wenige Wochen nach Ende der Abgabefrist im April 2020, die General Kreitmayr wohl widerrechtlich eingeräumt hatte, hatten Ermittler der Polizei im Mai 2020 bei einer Haus- und Grundstücksdurchsuchung bei einem KSK-Soldaten in Nordsachsen größere Mengen Munition, Sprengstoff und Nazidevotionalien in einem Erddepot gefunden. Der mittlerweile wegen Verstoßes gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz verurteilte 46-Jährige gab im Prozess am Landgericht Leipzig an, dem bis dahin nicht bekannten Amnestieangebot nicht getraut zu haben.

Das Verteidigungsministerium hatte mit einer hochrangig besetzten Arbeitsgruppe im Juni 2020 begonnen, den KSK-Verband im baden-württembergischen Calw genauer zu untersuchen. Zeitweise stand auch die Auflösung des gesamten Verbandes im Raum. Letztlich wurde aber nur eine Kompanie aufgelöst, die bereits 2017 durch rechtsradikale Vorfälle aufgefallen war.

Bis zum Bekanntwerden der Munitionsamnestie wurden Reformmaßnahmen präsentiert, mit denen der ramponierte Ruf der Elitetruppe wieder gerade gezogen werden sollte. Unter anderem sollte die Munitionsverwaltung neu organisiert werden. Zwischenzeitlich kamen neue Anschuldigungen hinzu. Zuletzt wurde öffentlich, dass sich das KSK beim Kauf von Munition- und Dienstleistungen nicht an vorgeschriebene Vergaberegeln gehalten und Ex-Soldaten mit immer noch vorhandenem Kontakt zur Truppe bevorzugt hatte.

»Ich bleibe dabei: Das KSK ist nicht reformierbar und außer Kontrolle geraten. Dafür gibt es strukturelle Gründe. Deshalb muss diese Eliteeinheit aufgelöst werden«, forderte Pflüger nach der Sitzung.

Korrektur:
In einer früheren Version des Artikels hieß es, die Ministerin habe von der »Amnestie« bereits Ende Juni 2020 erfahren. Richtig ist nach Darstellung eines Sprechers des Verteidigungsministeriums, sie habe zu diesem Zeitpunkt nur von der Rückgabe der Munition erfahren.

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