Ego-Republik

Robert D. Meyer über Querdenken und den Verfassungsschutz

  • Robert D. Meyer
  • Lesedauer: 2 Min.

Das Bundesamt für Verfassungsschutz stellt Teile der Querdenken-Bewegung unter Beobachtung. Dabei stößt es an die Grenzen seines politischen Koordinatensystems. Wer die Gesellschaft in eine bürgerliche Mitte aufteilt, die von den vermeintlichen politischen Rändern bedroht wird, findet fast unweigerlich keine passenden Worte dafür, um zu beschreiben, worum es sich bei Querdenken handelt. Um sich zu behelfen, führt der Geheimdienst deshalb nun die nicht nur sprachlich ungelenke Kategorie »Verfassungsschutzrelevante Delegitimierung des Staates« ein.

Was stimmt: Es ist zu einfach, Querdenker*innen pauschal als Nazis zu beschimpfen, auch wenn Rassismus und offener Antisemitismus in erheblichem Umfang offensichtlich sind. Wer sich davon nicht abgrenzt, macht sich mitschuldig, daran gibt es nichts zu diskutieren. Was den Großteil der Bewegung eint, ist die Haltung, das eigene Ich ohne Bereitschaft für irgendeinen Kompromiss über die Gesellschaft zu stellen. Es geht um einen Freiheitsbegriff, der nicht anerkennt, dass die eigene Freiheit dort endet, wo sie die Interessen, Bedürfnisse und Grundrechte anderer betrifft. Gesellschaft, noch dazu eine solidarische und pluralistische, setzt aber nun einmal die Fähigkeit voraus, Grenzen für das eigene Tun und Handeln anzuerkennen.

Querdenker*innen geben sich antiautoritär, verhalten sich aber selbst, wie sie es nicht nur staatlichen Strukturen vorwerfen: Sie brüllen abweichende Meinungen nieder, greifen Journalist*innen an und werfen anderen vor, sich nicht zu informieren, glauben aber selbst nur das, was ihr Weltbild stützt.

Das alles ist auch Ergebnis von drei Jahrzehnten, in denen die Ideologie vorherrschte, dass man allein für seine wirtschaftliche Existenz verantwortlich sei und aus dieser Eigenverantwortung auch grenzenlose Freiheit hervorginge. Eben diese pervertierte Form von Freiheit, eine Ego-Republik, fordert Querdenken nun ein.

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