Das gute Gesicht

Zum 50. Todestag der Schauspielerin Helene Weigel

»Sie ist gutartig, schroff, mutig und zuverlässig. / Sie ist unbeliebt.« So endet Bertolt Brechts 1929 entstandenes Gedicht »Über eine große Schauspielerin unserer Generation«, das die Arbeit auf der Bühne in ihrer Ambivalenz zeigt und eine ganz bestimmte Mimin porträtiert: die Weigel.

Helene Weigel, 1900 in Wien geboren, zählt zu den herausragenden Theaterdarstellerinnen des vergangenen Jahrhunderts. Eng ist ihr Name mit dem Brechts verbunden. 1923 lernten sie sich kennen, und die Weigel wurde Brechts dritte Ehefrau. Die beiden lebten bis zu Brechts frühem Tod 1956 zusammen.

Frauen großer Künstler erliegen oft dem Schicksal, im Schatten ihrer Männer zu verschwinden. Helene Weigel aber war eine eigenständige, selbstbewusste Künstlerpersönlichkeit - und sie hatte bereits als junge Frau, vor ihrer Begegnung mit Brecht, einige Berühmtheit erlangt. In den 20er Jahren kam sie in die Theatermetropole Berlin und spielte dort an der Volksbühne und am Deutschen Theater. Sie wurde eine der gefragtesten Schauspielerinnen der Weimarer Republik.

Die faschistische Machtübernahme machte die sofortige Flucht der aus jüdischem Elternhaus stammenden und sozialistischen Schauspielerin notwendig. Brechts Karriere erlebte eine Zäsur, und doch hatte er die Möglichkeit, sich nun völlig dem Schreiben zu widmen. Helene Weigel hatte das Theater und ihr Publikum verloren. Der deutsche Faschismus bedeutete auch eine mehr als zehnjährige Verbannung von der Bühne. Plötzlich war sie zurückgeworfen auf die Rolle der Mutter, der Hausfrau, letztlich auch der Managerin und Organisatorin für das wechselhafte Leben in der Emigration. Versuche, im Film Fuß zu fassen, gelangen weder in der Sowjetunion noch in Hollywood.

Nach den schweren Jahren des Exils kehrte Weigel mit Brecht nach Ostberlin zurück - den Unbelehrbaren ihr gutes Gesicht zu zeigen, wie Brecht dichtete. Hier kämpfte Weigel dafür, dass ihr die verloren gegangenen Jahre zumindest teilweise »zurückgegeben« wurden. Von nun an stand sie regelmäßig in großen Rollen auf der Bühne. 1949 wurde das berühmte Berliner Ensemble, zunächst zu Gast im Deutschen Theater in Berlin, gegründet und von Helene Weigel geleitet. Ab 1954 stand dann das eigene Haus zur Verfügung, das Theater am Schiffbauerdamm, das bis heute den Namen der Gruppe um Brecht trägt. Die Weigel blieb bis zu ihrem Tod Intendantin der Bühne - und eine ihrer wichtigsten Darstellerinnen. Brecht hatte mit seinen Dramen das epische Theater erfunden, die epische Spielweise musste erst von den Schauspielern entwickelt werden. Ein zeigendes, gestisches und doch zurückhaltendes Agieren auf der Bühne bestimmte die Arbeit der Weigel und ist Teil der Brecht’schen Theaterrevolution.

Dem Berliner Ensemble war Weltruhm beschieden und damit auch seinen Darstellern. 1971 stand die Weigel kurz vor ihrem Tod mit einem Gastspiel von »Die Mutter« in Paris zum letzten Mal auf der Bühne. Sie verkörperte die kraftvolle Arbeiterin Pelagea Wlassowa, deren Schlussmonolog hoffnungsvoll endet: »Denn die Besiegten von heute sind die Sieger von morgen / Und aus niemals wird: heute noch.«

App »nd.Digital«

In der neuen App »nd.Digital« lesen Sie alle Ausgaben des »nd« ganz bequem online und offline. Die App ist frei von Werbung und ohne Tracking. Sie ist verfügbar für iOS (zum Download im Apple-Store), Android (zum Download im Google Play Store) und als Web-Version im Browser (zur Web-Version). Weitere Hinweise und FAQs auf dasnd.de/digital.

Das beste Mittel gegen Fake-News und rechte Propaganda: Journalismus von links!

In einer Zeit, in der soziale Medien und Konzernmedien die Informationslandschaft dominieren, rechte Hassprediger und Fake-News versuchen Parallelrealitäten zu etablieren, wird unabhängiger und kritischer Journalismus immer wichtiger.

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

Vielen Dank!

Unterstützen über:
  • PayPal